Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
Belastung so groß, dass sie schlimmer wurde als der Schaden, den ihm die Enthüllung seines Geheimnisses zufügen konnte. Die Aussprache fand in der Küche statt, wo in diesem Haus die Aussprachen immer stattfanden. Weigerungen, Drohungen, gegenseitige Beschuldigungen. Seine Mutter glaubte ihm nicht, und indem sie ihm nicht glaubte, verleugnete sie auch ihre tote Tochter. Seitdem hatte Pierce nicht mehr mit ihr gesprochen.
Erleichtert, aus der bedrückenden Erinnerung in den gegenwärtigen Albtraum fliehen zu können, öffnete Pierce die Augen.
»Du hast es dir gemerkt«, sagte er zu Zeller. »Du hast es dir gemerkt und es für dich behalten und für den richtigen Moment aufgespart. Für diesen Moment.«
»So war es nicht. Es hat sich einfach was ergeben, und was ich wusste, passte dazu. Es hat die Sache vereinfacht.«
»Klasse Penetration, Cody. Hast du jetzt an der Wand mit den ganzen Firmenzeichen auch ein Foto von mir hängen?«
»So ist es nicht, Hank.«
»Nenn mich nicht so. So hat mich mein Stiefvater genannt. Nenn mich nie wieder so.«
»Wie du meinst, Henry.«
Zeller zog seine verschränkten Arme fester an seinen Körper.
»Und worum geht es nun eigentlich genau?«, fragte Pierce. »Ich würde mal sagen, du musst die Formel liefern, um deinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Wer kriegt sie?«
Zeller drehte den Kopf und sah ihn an. In seinem Blick war Herausforderung oder Trotz. Pierce war nicht sicher, wie er ihn deuten sollte.
»Wozu spielen wir überhaupt dieses blöde Spiel? Um dich herum kracht bereits alles zusammen, Mann, und du merkst es nicht mal.«
»Was kracht zusammen? Meinst du Lilly Quinlan?«
»Was denn sonst? Da sind Leute, die an dich herantreten werden. Schon bald. Gehst du auf ihren Vorschlag ein, löst sich alles in Wohlgefallen auf. Gehst du nicht darauf ein, dann gnade dir Gott. Dann kannst du einpacken. Deshalb würde ich dir raten, die Sache ganz nüchtern und sachlich zu sehen. Geh auf ihren Vorschlag ein, und du wirst lebendig, glücklich und reich aus dem Ganzen hervorgehen.«
»Und was wäre das für ein Vorschlag?«
»Ganz einfach. Du gibst Proteus auf. Du rückst das Patent heraus. Du beschränkst dich wieder darauf, deine molekularen Speicher und Rechner zu bauen und damit einen Haufen Geld zu verdienen. Aber von diesem ganzen biologischen Kram lässt du die Finger.«
Pierce nickte. Jetzt verstand er. Die Pharmaindustrie. Für einen von Zellers anderen Kunden war Proteus eine Bedrohung.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein«, sagte er. »Ein Pharmaunternehmen steckt dahinter? Was hast du ihnen gesagt? Weißt du nicht, dass Proteus eine Hilfe für sie sein wird? Es ist ein Transportsystem. Was transportiert es? Medikamente. Das könnte der größte Entwicklungsschub sein, den es in dieser Industrie je gegeben hat.«
»Genau. Es wird alles verändern, und sie sind noch nicht bereit dafür.«
»Das spielt keine Rolle. Wir haben Zeit. Proteus ist nur ein Anfang – wir sind noch mindestens zehn Jahre davon entfernt, irgendetwas von all dem in der Praxis anzuwenden.«
»Yeah, zehn Jahre. Das sind immer noch fünfzehn Jahre weniger als vor Proteus. Die Formel wird die Forschung ankurbeln, um eine Wendung aus einer deiner E-Mails zu verwenden. Sie wird sie richtig auf Touren bringen. Vielleicht bist du noch zehn Jahre davon entfernt, und vielleicht sind es auch nur fünf. Oder vier. Oder drei. Egal. Du stellst eine Bedrohung dar. Für einen wichtigen Industriezweig.«
Zeller schüttelte verächtlich den Kopf.
»Ihr Wissenschaftler denkt, die Welt wäre eure Auster und ihr könntet eure Entdeckungen machen und ändern, was ihr wollt, und alle würden sich darüber freuen. Nun, es gibt eine Weltordnung, und wenn du glaubst, die Industriegiganten werden zulassen, dass ihnen so eine kleine Arbeitsbiene wie du die Existenzgrundlage entzieht, bist du ganz schön blauäugig.«
Er nahm seine verschränkten Arme auseinander und deutete auf eine der gerahmten Abbildungen aus Horton hört ein Hu! Pierce folgte ihm mit seinem Blick und sah, dass es ein Bild von Horton war, wie er von den anderen Tieren des Dschungels verfolgt wurde. Er konnte den Text aus dem Gedächtnis aufsagen. Durch die Wipfel im Dschungel ging’s rum wie der Wind: Er spricht mit ’nem Staubkorn. Der Horton, der spinnt!
»Ich helfe dir, indem ich das tue, Einstein. Verstehst du denn nicht? Das ist deine Dosis Realität. Erwarte bloß nicht, dass die Halbleiterleute untätig rumsitzen, während du
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