Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
von jemandem im LAPD empfohlen, den ich in der Vermisstenstelle kenne. So kam der Kontakt zustande. Sie bezahlte mich für eine Woche. Ich habe Lilly nicht gefunden und auch sonst nicht viel über die Hintergründe ihres Verschwindens herausbekommen.«
Darüber dachte Pierce kurz nach. Er war Amateur und hatte in weniger als achtundvierzig Stunden einiges herausgefunden. Er bezweifelte, dass Glass so unfähig war, wie er sich darstellte.
»Von dieser Internetseite wussten Sie also? Von L. A. Darlings?«
»Ja. Mir wurde gesagt, sie würde als Callgirl arbeiten. Deshalb war es relativ einfach, sie zu finden. L. A. Darlings ist eine der Seiten, die sich ziemlich regen Zuspruchs erfreut, könnte man sagen.«
»Haben Sie ihr Haus gefunden? Haben Sie mit ihrem Vermieter gesprochen?«
»Beide Male nein.«
»Was ist mit Lucy LaPorte?«
»Wer?«
»Auf der Website nennt sie sich Robin. Ihre Seite hat einen Link zu der von Lilly.«
»Ach so, Robin. Ja, ich habe mit ihr telefoniert. Allerdings nur ganz kurz. Sie war nicht sehr entgegenkommend.«
Pierce war nicht sicher, ob Glass tatsächlich angerufen hatte. Er hatte den Eindruck, Lucy hätte ihm erzählt, wenn sich bereits ein Privatdetektiv nach Lilly erkundigt hätte. Er nahm sich vor, sie nach dem angeblichen Anruf zu fragen.
»Wie lang ist das her? Dass Sie Robin angerufen haben?«
Glass zuckte die Achseln.
»Drei Wochen? Es war zu Beginn der Woche, für die mich Vivian Quinlan engagiert hat. Sie war eine der Ersten, die ich angerufen habe.«
»Waren Sie auch bei ihr?«
»Nein, es kam Verschiedenes dazwischen. Und am Ende der Woche wollte Mrs. Quinlan keine Verlängerungswoche mehr bezahlen. Damit war der Fall für mich erledigt.«
»Was kam dazwischen?«
Glass antwortete nicht.
»Sie haben mit Wentz gesprochen, stimmt’s?«
Glass blickte auf seine verschränkten Arme hinab, antwortete aber nicht.
»Was hat er Ihnen gesagt?«
Glass räusperte sich.
»Jetzt hören Sie mal gut zu, Mr. Pierce. Halten Sie sich lieber von Billy Wentz fern.«
»Warum?«
»Weil er gefährlich ist. Weil Sie sich in Bereiche vorwagen, über die Sie nichts wissen. Wenn Sie nicht aufpassen, könnte das schlimme Folgen für Sie haben.«
»Ist es das, was Ihnen passiert ist? Hatte es für Sie schlimme Folgen?«
»Es geht hier nicht um mich. Es geht um Sie.«
Am Tisch unmittelbar neben ihnen saß ein Mann mit einem eisgekühlten Caffe latte. Glass schaute zu ihm hinüber und beobachtete ihn mit argwöhnischen Blicken. Der Mann holte einen Palm Pilot aus der Tasche und öffnete ihn. Er zog den Griffel heraus und machte sich an dem Gerät zu schaffen. Glass oder Pierce schenkte er keine Beachtung.
»Ich möchte wissen, was passiert ist, als Sie zu Wentz gegangen sind«, sagte Pierce.
Glass nahm die Arme auseinander und rieb sich die Hände.
»Wissen Sie …«
Er sprach nicht weiter. Pierce musste ihm auf die Sprünge helfen.
»Ob ich was weiß?«
»Wissen Sie, dass bisher der einzige Bereich, in dem im Internet nennenswerte Gewinne gemacht werden, das Geschäft mit dem Sex ist?«
»Das habe ich gehört. Was hat das …«
»Zehn Milliarden Dollar werden jährlich allein in diesem Land mit dem elektronischen Sexgeschäft gemacht. Ein Großteil davon läuft übers Internet. Es ist ein profitabler Markt mit Verbindungen zu allen amerikanischen Topunternehmen. Es ist allgegenwärtig, auf jedem Computer, jedem Fernseher abrufbar. Sie brauchen nur den Fernseher anzumachen und können alle möglichen Pornos, präsentiert von AT&T, bestellen. Sie können ins Internet gehen und sich eine Frau wie Lilly Quinlan kommen lassen.«
In Glass’ Stimme begann ein Nachdruck mitzuschwingen, der Pierce an einen Geistlichen auf der Kanzel erinnerte.
»Wissen Sie, dass Wentz landesweit Lizenzen verkauft? Ich habe Erkundigungen eingezogen. Fünfzigtausend Dollar pro Stadt. Inzwischen gibt es ein New York Darlings und ein Vegas Darlings. Miami, Seattle, Denver und so weiter und so fort. Verknüpft mit diesen Seiten hat er Pornoseiten für jeden erdenklichen sexuellen Geschmack und Fetisch. Er –«
»Das weiß ich alles«, unterbrach ihn Pierce. »Aber mich interessiert Lilly Quinlan. Was hat das alles damit zu tun, was aus ihr geworden ist?«
»Keine Ahnung. Ich will Ihnen damit nur klar machen, dass es hier um sehr viel Geld geht. Halten Sie sich von Billy Wentz fern.«
Pierce lehnte sich zurück und sah Glass an.
»Er hat Sie eingeschüchtert, stimmt’s? Was hat er gemacht? Ihnen
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