Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
Wentz gewesen waren.
Gegen die Wand gelehnt, rief er zuerst die Auskunft für Venice an und versuchte es mit dem Namen Lucy LaPorte, wobei er darum bat, unter verschiedenen Schreibweisen nachzusehen. Aber sie hatten keine Nummer, weder eine geheime noch sonst eine.
Danach rutschte er an der Wand hinab auf den Fußboden. Er geriet in Panik. Er musste Lucy unbedingt erreichen, aber er konnte es nicht – ihm fiel etwas ein, und er rief im Labor an. Es ging aber niemand ans Telefon. Die Sonntage waren den Laborratten heilig. Sie machten regelmäßig Überstunden und das normalerweise sechs Tage die Woche. Aber sonntags selten. Er versuchte es in Charlie Condons Büro und bei ihm zu Hause, bekam aber in beiden Fällen nur einen Anrufbeantworter dran.
Ais Nächster fiel ihm Cody Zeller ein, aber Cody ging nie ans Telefon. Man konnte ihn nur über seinen Pager erreichen, und dann bliebe ihm nichts anderes übrig, als auf seinen Rückruf zu warten.
Er wusste, was er tun musste. Er wählte die Nummer und wartete. Nach dem vierten Läuten meldete sich Nicole.
»Ich bin’s. Du musst mir helfen. Kannst du –«
»Wer ist da bitte?«
»Ich, Henry.«
»Das hört sich aber gar nicht wie du an. Was ist –«
»Nicki!«, rief er. »Hör zu. Das ist ein Notfall, und ich bin auf deine Hilfe angewiesen. Wir können später über alles reden. Ich kann es dir später erklären.«
»Okay«, sagte sie in einem Ton, der andeutete, dass sie nicht überzeugt war. »Und was ist das für ein Notfall?«
»Hast du deinen Computer noch angeschlossen?«
»Ja, ich habe noch nicht mal ein Schild im Garten aufgestellt. Ich werde –«
»Okay, gut. Geh zum Computer. Schnell, beeil dich!«
Er wusste, sie hatte einen DSL-Anschluss – er war deswegen immer paranoid gewesen. Aber damit würde sie jetzt schneller auf die Internetseite kommen.
Als sie am Computer war, legte sie das Gespräch auf den Headset, den sie am Schreibtisch hatte.
»Okay, geh jetzt bitte auf folgende Website. Sie heißt L. A. Strich Darlings dot com.«
»Soll das ein Witz sein? Ist das eine –«
»Tu es einfach! Sonst kostet es vielleicht jemanden das Leben!«
»Okay, okay. L. A. Strich Darlings …«
Er wartete.
»Okay, ich bin drin.«
Er versuchte sich die Internetseite auf ihrem Bildschirm vorzustellen.
»Okay, jetzt einen Doppelklick auf Begleiterinnen und dann gehst du zu Blondinen.«
Er wartete.
»Hast du’s?«
»Ich mache es so schnell wie … okay, was jetzt?«
»Scrolle durch die Thumbnails. Klick das mit Robin an.«
Wieder wartete er. Er merkte, sein Atem war laut, ein tiefes Pfeifen, das aus seiner Kehle kam.
»Okay, ich habe Robin. Diese Titten können nicht echt sein.«
»Gib mir einfach die Nummer.«
Sie las die Nummer ab, und Pierce erkannte sie wieder. Es war die richtige Robin.
»Ich rufe dich gleich noch mal an.«
Er drückte auf die Gesprächstaste des Telefons, hielt sie drei Sekunden lang gedrückt, und als er sie dann losließ, bekam er ein neues Freizeichen. Er wählte Robins Nummer. Ihm wurde schwindlig. Was von seinem Blickfeld noch übrig war, begann an den Rändern zu verschwimmen. Nach dem fünften Läuten schaltete sich die Mailbox ein.
»Verdammte Scheiße!«
Er wusste nicht, was er tun sollte. Die Polizei durfte er auf keinen Fall zu ihr schicken. Er wusste nicht einmal, wo ihre richtige Wohnung war. Nach ihrer Ansage ertönte der Pfeifton. Als er zu sprechen begann, fühlte sich seine Zunge an, als sei sie zu groß für seinen Mund.
»Lucy, ich bin’s. Henry. Wentz war hier. Er hat mich zusammengeschlagen, und ich glaube, als Nächstes will er zu dir. Hau sofort ab, sobald du diese Nachricht erhältst. Auf der Stelle! Hau ab, und ruf mich an, sobald du in Sicherheit bist.«
Er nannte seine Telefonnummer und legte auf.
Er hielt sich das blutige T-Shirt wieder ans Gesicht und lehnte sich an die Wand. Der bei Wentz’ Attacke drastisch gestiegene Adrenalin- und Endorphinpegel in seinem Blut ging zurück, und dumpf pochender Schmerz nistete sich ein wie der Winter. Er durchdrang seinen ganzen Körper. Es schien, als schmerzten jedes Gelenk und jeder Muskel. Sein Gesicht fühlte sich an wie eine Leuchtreklame, die in rhythmischen Ausbrüchen lodernden Feuers pulsierte. Ihm war nicht mehr danach, sich zu bewegen. Er wollte nur noch bewusstlos werden und erst wieder aufwachen, wenn er geheilt und alles besser war.
Ohne etwas anderes zu bewegen als seinen Arm, hob er das Telefon noch einmal von der Basisstation und
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