Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
zu Tür gegangen, und als sie zu deiner kamen, stand sie sperrangelweit offen. Du warst im Schlafzimmer. Als ich ankam, haben sie dich gerade rausgeschafft. Ein Detective war hier. Er will mit dir reden.«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
Er sagte es mit allem Nachdruck. Es wurde leichter, zu sprechen. Alles, was er tun musste, war üben.
»Henry, wo bist du da reingeraten?«
»Ich weiß nicht.«
»Wer ist Robin? Und Lucy? Wer sind sie?«
Plötzlich fiel ihm ein, dass er sie warnen musste.
»Wie lang bin ich schon hier?«
»Ein paar Stunden.«
»Gib mir dein Handy. Ich muss sie anrufen.«
»Ich habe diese Nummer alle zehn Minuten angerufen. Auch als du eben aufgewacht bist, habe ich wieder angerufen. Es ist immer nur die Mailbox dran.«
Er schloss die Augen. Er fragte sich, ob sie seine Nachricht erhalten hatte und abgehauen und Wentz entkommen war.
»Gib mir dein Handy trotzdem.«
»Lass das lieber mich machen. Wahrscheinlich solltest du dich möglichst wenig bewegen. Wen willst du anrufen?«
Er gab ihr die Nummer für seine Mailbox und dann die Codenummer.
»Du hast acht Nachrichten.«
»Alle, die für Lilly sind, kannst du einfach löschen. Hör sie dir nicht an.«
Das traf auf alle bis auf eine Nachricht zu, von der Nicole sagte, er solle sie sich anhören. Sie stellte das Telefon lauter und hielt es ihm hin, so dass er die Nachricht hören konnte, als sie sie abspielte. Es war Cody Zellers Stimme.
»Hey, Einstein, ich habe da was für dich – du weißt schon, in der Sache, wegen der du bei mir warst. Ruf mich einfach an. Bis später, Alter.«
Pierce löschte die Nachricht und gab das Telefon zurück.
»War das Cody?«, fragte Nicole.
»Ja.«
»Dachte ich mir schon. Warum nennt er dich immer noch so? Es hat so was Highschoolmäßiges.«
»College, um genau zu sein.«
Es tat weh, College zu sagen, aber nicht so schlimm, wie er erwartet hatte.
»Was hat er damit gemeint?«
»Nichts. Er hat ein bisschen Online-Kram für mich erledigt.«
Fast wollte er ihr schon davon und von allem anderem erzählen. Aber bevor er die richtigen Worte fand, kam ein Mann in einem Arztkittel zur Tür herein. Er hatte ein Klemmbrett. Er war Ende fünfzig, mit grauem Haar und Bart.
»Das ist Doktor Hansen«, sagte Nicole.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte der Arzt.
Er beugte sich über das Bett und nahm Pierce am Kinn, um sein Gesicht ganz leicht zur Seite zu drehen.
»Schmerzen habe ich nur, wenn ich atme. Oder spreche. Oder wenn jemand das macht.«
Hansen ließ sein Kinn los. Mit einer kleinen Lampe untersuchte er Pierces Pupillen.
»Also, Sie haben ein paar ziemlich schwere Verletzungen. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung, und Ihre Kopfhaut musste mit sechs Stichen genäht werden.«
An diese Verletzung konnte sich Pierce gar nicht erinnern. Er musste sie sich zugezogen haben, als er gegen die Fassade des Gebäudes geschlagen war.
»Von der Gehirnerschütterung rührt die Benommenheit her, die Sie vielleicht empfinden, und auch jegliche Kopfschmerzbeschwerden. Mal sehen, was sonst noch. Sie haben eine Lungenkontusion, eine tiefe Schulterkontusion; Sie haben zwei gebrochene Rippen und natürlich den Nasenbeinbruch. Um die Verletzungen an Ihrer Nase und in der Umgebung Ihres Auges muss sich ein plastischer Chirurg kümmern, damit sie sich ohne permanente Narbenbildung schließen. Ich kann das, je nach Stärke der Schwellung, heute Abend jemanden machen lassen, oder Sie können sich mit Ihrem eigenen Chirurgen in Verbindung setzen, wenn Sie das möchten.«
Pierce schüttelte den Kopf. Er wusste, es gab in Los Angeles viele Leute, die einen eigenen plastischen Chirurgen hatten. Aber er gehörte nicht zu ihnen.
»Das überlasse ich Ihnen …«
»Henry«, sagte Nicole. »Hier geht es um dein Gesicht. Ich finde, du solltest dir den besten Chirurgen nehmen, den du bekommen kannst.«
»Ich glaube, ich kann Ihnen einen sehr guten besorgen«, sagte Hansen. »Ich muss nur ein bisschen herumtelefonieren, dann werden wir schnell wissen, was sich machen lässt.«
»Danke.«
Pierce sprach das Wort ziemlich deutlich aus. Es schien, als passte sich sein Sprechvermögen den neuen physischen Gegebenheiten seiner Mundhöhle und seiner Nasengänge rasch an.
»Versuchen Sie möglichst in der Horizontalen zu bleiben«, sagte Hansen. »Ich bin gleich wieder zurück.«
Der Arzt nickte und verließ das Zimmer. Pierce sah Nicole an.
»Sieht so aus, als würde ich mich eine Weile hier aufhalten. Du brauchst nicht
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