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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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den Tisch, um sich auf Tony zu stürzen, würde ihn schon auf halbem Weg eine Kugel in die Brust treffen - und vermutlich eine Schrotladung in die Seite, die nicht nur ihn, sondern auch das Ehepaar Stone erledigen würde. Stürzte er sich jedoch zuerst auf Hobie, würde Tony vielleicht nicht schießen, weil er fürchtete, seinen Boss zu treffen, aber Hobie würde es bestimmt tun. Die Schrotladung würde Curry in hundert kleine Stücke zerfetzen, und Jodie befand sich genau in Schusslinie hinter ihm. Eine weitere von Leons Regeln lautete: Aussichtslos ist aussichtslos, und red dir nie was anderes ein.
    »Später«, hauchte sie.
    Curry nickte kaum merklich. Seine Schultermuskeln wurden schlaff. Sie warteten. Jodie starrte durch die Glasplatte auf den Teppich und kämpfte gegen die Schmerzen an. Ihre überdehnte Schulter brannte unter ihrem Gewicht wie Feuer. Sie verschränkte die Hände und stützte sich auf die Fingerknöchel. Ihr gegenüber atmete Marilyn Stone laut keuchend. Sie schien völlig am Ende zu sein. Ihr Kopf ruhte seitlich auf den Armen, ihre Augen waren geschlossen. Die Sonnenstrahlen bewegten sich jetzt auf Jodies Tischecke zu.
    »Was, zum Teufel, macht der Kerl dort draußen?«, murmelte Hobie. »Wie lange braucht er, mir einen Becher Kaffee zu holen?«
    Tony sah kurz zu ihm hinüber, gab aber keine Antwort. Er hielt nur weiter seine Pistole schussbereit und achtete vor allem auf Curry. Jodie drehte die Hände und stützte sich auf die Daumen. Sie hatte pochende, brennende Kopfschmerzen. Hobie nahm die Schrotflinte hoch und legte sie mit der Mündung auf die Rückenlehne des Sofas vor ihm. Dann hob er den Haken und rieb sich mit der flachen Außenseite über seine Brandnarben.
    »Mein Gott«, sagte er, »warum braucht der so lange? Gehen Sie raus, und helfen Sie ihm, okay?«
    Jodie merkte, dass er sie ansprach. »Ich?«
    »Warum nicht? Machen Sie sich ein bisschen nützlich. Kaffeekochen ist schließlich Frauensache.«
    Sie zögerte.
    »Ich weiß nicht mal, wo die Kaffeemaschine steht«, sagte sie.
    »Dann zeig ich sie Ihnen.«
    Er starrte sie an. Sie nickte und war plötzlich froh, aufstehen zu können. Sie stemmte sich hoch, stolperte und schlug sich das Schienbein am Messingrahmen des Couchtischs an. Ihr war unbehaglich zumute, als sie Tonys Schussfeld queren musste. Aus der Nähe wirkte die Pistole riesig und brutal. Sie blieb ständig auf sie gerichtet, während sie sich Hobie näherte. Hobie führte sie durchs Halbdunkel, klemmte sich die Schrotflinte unter den Arm, griff nach der Klinke und zog die Tür auf.
    Erst die Tür zum Korridor, sonst das Telefon. Das hatte sie sich unterwegs vorgenommen. Schaffte sie’s, auf den Korridor zu gelangen, hatte sie vielleicht eine Chance. Klappte das nicht, blieb noch die Schnellwahl der 911. Sie brauchte nur den Hörer abzunehmen und auf den mit 911 bezeichneten Knopf zu drücken; selbst wenn sie nicht mehr sprechen konnte, wüssten die Cops, von woher dieser Notruf kam. Die Tür oder das Telefon. In Gedanken übte sie schon den Ablauf. Aber als es dann so weit war, sah sie weder zur Tür noch zum Telefon. Hobie blieb plötzlich vor ihr stehen. Sie trat neben ihn und starrte nur den Kerl an, der den Kaffee hatte holen sollen.
    Er war ein stämmiger Mann, kleiner als Hobie oder Tony, aber breitschultrig. Er lag genau vor der Bürotür auf dem Boden. Seine Beine waren gestreckt, seine Füße leicht nach außen gedreht. Seinen Kopf stützte ein dicker Stapel Telefonbücher. Die Augen standen weit offen. Sie starrten blicklos ins Leere. Der linke Arm war nach hinten angewinkelt, die Hand ruhte mit der Handfläche nach oben auf einem weiteren Stapel Telefonbücher. Der rechte Arm war stumpfwinklig vom Körper weggespreizt, die rechte Hand am Handgelenk abgetrennt. Sie lag etwa fünfzehn Zentimeter von seiner Manschette entfernt auf dem Teppich - genau in Verlängerung des Arms, von dem sie stammte. Jodie hörte, wie Hobie einen erstickten Laut ausstieß, und sah, wie er die Schrotflinte fallen ließ und sich mit der linken Hand an den Türrahmen klammerte. Der unbeschädigte Teil seines Gesichts wurde leichenblass.

17
    Den Namen Jack hatte Reacher von seinem Vater erhalten, der ein schlichter Yankee aus New Hampshire mit einer starken Abneigung gegen Extravagantes war. Am Tag nach der Geburt des Jungen war er an einem Dienstagmorgen Ende Oktober auf der Entbindungsstation erschienen, hatte seiner Frau einen kleinen Blumenstrauß überreicht und ihr erklärt:

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