Jack Reacher 09: Sniper
gewusst?«
Helen überlegte einen Moment.
»Mein Vater«, sagte sie. »Seit Montag früh. Und dann vermutlich Emerson. Bestimmt sehr bald. Die beiden werden über den Fall gesprochen haben. Sie werden sich sofort in Verbindung gesetzt haben, wenn Gefahr bestand, dass die Räder abfallen könnten.«
»Korrekt«, bestätigte Reacher. »Also hat einer von ihnen den Drahtzieher angerufen. Lange vor unserem Lunch am Montag.«
Helen schwieg.
»Außer einer dieser beiden ist der Drahtzieher«, erklärte Reacher.
»Der Zec ist der Drahtzieher. Das haben Sie selbst gesagt.«
»Ich habe gesagt, dass er Charlies Boss ist. Mehr nicht. Ob er wirklich ganz oben steht, wissen wir nicht.«
»Sie haben recht«, sagte Helen. »Mir gefällt dieser Gedankengang überhaupt nicht.«
»Irgendjemand hat Informationen weitergegeben«, sagte Reacher. »Das steht fest. Zwei Stunden nach meiner Ankunft mit dem Bus war mein Name bereits in Umlauf. Also ist einer der beiden korrupt, und der andere wird uns ebenfalls nicht helfen, weil ihm der Fall exakt so ins Konzept passt, wie er jetzt ist.«
Danach herrschte Schweigen.
»Ich muss wieder ins Studio«, sagte Ann Yanni.
Keiner sprach.
»Ruft mich an, wenn es was Neues gibt«, sagte Yanni.
In dem Büro blieb es still. Reacher schwieg. Ann Yanni durchquerte den Raum. Blieb neben ihm stehen.
»Schlüssel«, sagte sie.
Er fischte sie aus einer Tasche und gab sie ihr.
»Danke fürs Ausleihen«, sagte er. »Klasse Wagen.«
Linsky beobachtete, wie der Mustang wegfuhr. Er brauste nach Norden davon. Lauter Motor, lauter Auspuff. Man konnte ihn einen ganzen Block weit hören. Dann war es auf der Straße wieder still, und Linsky telefonierte mit seinem Handy.
»Die Journalistin ist weg«, teilte er dem Zec mit.
»Der Privatdetektiv wird bei seiner Arbeit bleiben«, meinte der Zec.
»Was ist, wenn die anderen gemeinsam wegfahren?«
»Das tun sie hoffentlich nicht.«
»Und wenn sie’s doch tun?«
»Dann schnappt ihr euch alle.«
Rosemary Barr fragte: »Gibt es ein Mittel? Gegen die Parkinsonsche Krankheit?«
»Nein«, erwiderte Reacher. »Keine Heilung, keine Vorbeugung. Aber ihr Fortschreiten lässt sich hinauszögern. Dafür gibt’s Medikamente. Auch Physiotherapie hilft. Und reichlich Schlaf. Die Symptome verschwinden, wenn der Kranke schläft.«
»Vielleicht wollte er deshalb die Tabletten. Um seiner Krankheit zu entkommen.«
»Das sollte er nicht zu weit treiben. Soziale Kontakte sind nützlich.«
»Ich sollte ins Krankenhaus fahren«, sagte Rosemary.
»Erklären Sie’s ihm«, meinte Reacher. »Erzählen Sie ihm, was am Freitag wirklich passiert ist.«
Rosemary nickte. Durchquerte den Raum und ging hinaus. Eine Minute später hörte Reacher den Motor ihres Wagens anspringen; dann fuhr sie weg.
Franklin verschwand in der Küchennische, um Kaffee zu kochen. Reacher und Helen Rodin blieben allein in seinem Büro zurück. Reacher nahm in dem Sessel Platz, in dem Rosemary Barr gesessen hatte. Helen trat ans Fenster und blickte auf die Straße hinaus. Sie kehrte dem Raum den Rücken zu. Sie war wie Rosemary Barr gekleidet: schwarze Bluse, schwarzer Rock, schwarze Lacklederpumps. Aber sie sah nicht wie eine Witwe aus. Sie hätte eine Pariser oder New Yorker Anwältin sein können. Ihre Absätze waren höher, ihre Beine lang, unbestrumpft und sonnengebräunt.
»Diese Kerle, von denen wir geredet haben, sind Russen«, sagte sie.
Reacher sagte nichts.
»Mein Vater ist Amerikaner«, fuhr sie fort.
»Ein Amerikaner namens Alexej Alexejewitsch«, sagte Reacher.
»Unsere Familie ist vor dem Ersten Weltkrieg hier eingewandert. Da gibt’s keine mögliche Verbindung. Wie denn auch? Diese Leute, von denen wir reden, sind Gangster aus der ehemaligen Sowjetunion.«
»Was war Ihr Vater, bevor er Staatsanwalt geworden ist?«
»Stellvertretender Staatsanwalt.«
»Und davor?«
»Er hat immer hier gearbeitet.«
»Erzählen Sie mir von dem Kaffeeservice.«
»Was ist damit?«
»Er benutzt Porzellantassen und ein Silbertablett. Die hat das County nicht für ihn angeschafft.«
»Und?«
»Erzählen Sie mir von seinen Anzügen.«
»Seinen Anzügen?«
»Am Montag hat er einen Tausenddollaranzug getragen. Man sieht nicht viele Inhaber öffentlicher Ämter in solchem Outfit.«
»Er verfügt eben über Geschmack.«
»Wie kann er sich den leisten?«
»Darüber möchte ich nicht reden.«
»Nur noch eine Frage.«
Helen schwieg.
»Hat er Sie unter Druck gesetzt, den Fall
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