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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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Ich hatte keine Lust, aber wenn ich mich des Falles annehmen wollte, musste ich sie besuchen. Ich würde meinen Kaffee trinken, stark, schwarz und bitter, dann hingehen und, wenn schon sonst nichts, mein Mitgefühl zum Ausdruck bringen. Da war ihr Tag bestimmt gerettet. Genau, was sie brauchten, ein wildfremder Heini, der sagt, wie leid es ihm tut, und ihnen dann Fragen stellt. Ach, Scheiße, wenn ich doch nur söffe – ein paar Gedecke, und ich würde einem Esel das Hinterbein abschwatzen.
    Einmal durchrechnen:
    Eine Familie bei der Trauerarbeit stören = zwei große Jameson
    Ein neugieriges Arschloch sein = viele, viele pints vom Schwarzen
    Neues Leben am Horizont = eine Flasche Schnelles,
    Tödliches
    Schien Sinn zu haben, Irrsinn zumindest, aber als Entschuldigung kann ich anführen, dass ich Ire bin und dass Logik in meiner Argumentation keine Rolle spielt.
    Ich machte mich mit gemischten Gefühlen zum Claddagh auf. Der Claddagh ist ein einzigartiges Stück Geschichte, nicht nur Galways, sondern ganz Irlands. Hier gab es eine Gemeinschaft, die in einem fast isolierten Dorf lebte, von Galway nahezu getrennt, obwohl die Stadt so nah war, dass man hinüberspucken konnte. Ihren Hauptlebensunterhalt verdiente sie mit Fischen. Ihre Boote waren etwas Besonderes und wogen acht bis vierzehn Tonnen. Die Männer segelten damit die ganze Küste entlang, und nach ihrer Rückkehr verkauften ihre Frauen, die auch die Netze flickten, den Fang. Anders als bei anderen Fischerbooten des Landes, hatten diese »Huker«, wie sie genannt wurden, offene Decks, und weil »hooker« im amerikanischen Englisch »Prostituierte« heißt, ist die altehrwürdige Bezeichnung für die Fischerboote des Claddagh den amerikanischen Touristen ein nie versiegender Quell der Heiterkeit.
    Weltweit bekannt ist der Claddagh aber wegen des irischen Eherings: zwei Herzen, vereint, mit einer Krone drüber. Im Zentrum ist ein weiteres Herz. Trägt man das Herz nach außen, sucht man Anschluss, trägt man es nach innen, ist man bereits versprochen.
    Die Tragödie am Claddagh ist, dass diese autarke Gemeinschaft im Jahre 1934 aufhörte zu existieren, als ihre Häuser abgerissen wurden, um »hygienischeren« Unterkünften Platz zu machen. Damals war der Ausdruck »Fortschritt« noch nicht im Schwange, aber es war der gleiche Geist von Wandel und Zerstörung, der heute Amok läuft.
    Aber auch der andere Geist, der freie Wille der Leute vom Claddagh, existiert heute noch, über Generationen weitergegeben, und sogar in einer kosmopolitischen Stadt sind die Claddagh-Leute ein ganz eigener Menschenschlag.
    Mir gefällt es da.
    Es gab eine Zeit, da war das Füttern der Schwäne etwas richtig Erhebendes, nicht nur für die Schwäne. Es gehörte zum Galway-Paket dazu. Und man hob den Blick, sah Nimmo’s Pier, der Ozean lockte, rief einem von einem Leben zu, das vor Verheißung nur so zu lodern schien. Am Horizont die Aran-Inseln und ein Lebenswandel, bei dem Eile nicht vorgesehen war. Aber dies war für mich kein Terrain der Behaglichkeit mehr. Zu viele Szenen von Gewalt und Verlust waren untrennbar mit der Gegend verbunden.
    Ich ging schnell durch. Ein Typ saß am Wasser und fütterte abwechselnd die Schwäne und ein Windspiel. Der Hund sah ganz schlecht aus, magerer als ein Kesselflicker.
    Ich sagte: »Wie geht’s?«
    Ohne mich anzusehen, fragte er: »Wollen Sie einen Windhund kaufen?«
    »Äh, nicht jetzt gleich.«
    Er zuckte die Achseln, als schadete ich mir selbst damit, setzte hinzu: »Das Tier ist ein Sieger.«
    Genau.
    Ich wollte nicht trödeln, aber mancher Unsinn muss einfach ausgesprochen werden, sonst fängt man an zu glauben, dass das Chaos tatsächlich regiert. Ich fragte: »Warum lassen Sie ihn dann nicht selber Rennen laufen?«
    Er stieß ein Lachen aus, in dem sich Bitterkeit und Bedauern klumpten, sagte: »Meine Missis, sie hasst Hunde.«
    Vielleicht hatte sie die Hunde von Newcastle gestohlen. Er fügte hinzu: »Aber ich hasse die Missis, da gleicht es sich aus.«
    Ich gab einem Impuls nach und fragte: »Nur mal so gefragt, wüssten Sie, weshalb jemand Hunde aus verschiedenen Häusern klaut?«
    Ich dachte, er hätte mich nicht gehört oder eine Antwort wäre ihm zu lästig, und ging weiter, aber dann rief er: »Um sie zu fressen.«
    Darf ich sagen, dass dies meinen Gedankengängen neue, äh, Nahrung gab?
    Ich stand vor dem Haus, brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. Das Gebäude war ein Reihenhaus, klein, heruntergekommen, sah nach Armut aus.

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