Jack vs Chris
Gesicht kennt, ist Chris. Wieso ich bei ihm keine Maske getragen habe, verwundert mich heute noch. Außer als Jakob Steel habe ich immer Masken auf, damit ich nicht erkannt werde und auch bei meinen Morden, jedes Mal die Gleiche. Es reizt mich, die Furcht und Angst der Leute zu sehen, die mich durch die Medien erkennen. Sie wissen, was auf sie zukommt, und sehnen sich den Tod herbei. Zitternd, flehend und sich doch bewusst, dass es ihnen nichts nützen wird. Mein Anblick wirkt nun jünger, höchstens Mitte zwanzig, die Haare blond, lediglich meine Augenfarbe ist dieses Mal auch meine. Ich werde einen Pfleger im Krankenhaus ersetzen, kleiner Junkie, den ich mit eigens hergestellten Pillen ein wenig außer Gefecht gesetzt habe. In ein paar Tagen wird er wieder auftauchen und sicherlich keinem etwas sagen. Manchmal sind solche Parasiten doch sehr nützlich.
Der typische Krankenhausgeruch weht mir um die Nase, als ich auf der Station der Kinderchirurgie ankomme. Eine ältere Dame kommt auf mich zu, ihre Gesichtszüge spiegeln ihre Abgehetztheit. „Sie sind sicher Benjamin von der Inneren. Bitte gehen Sie in Zimmer 512 und passen auf Theo Bauer auf, seine Mutter möchte sich gerne frisch machen gehen“, schon verschwindet Oberschwester Ingrid Vogt, wie ich ihrem Namensschild entnehmen kann, und lässt mich allein. Leicht irritiert suche ich die besagte Zimmernummer und trete leise ein. Ein Schreck durchfährt meinen Körper, als ich den kleinen Jungen da liegen sehe. Bandagiert, regungslos und flach atmend … ob er überleben wird?
„Sie sind sicher der Pfleger Benjamin?! Wären Sie so freundlich, auf meinen Sohn aufzupassen, damit ich mich frisch machen kann?“
„Natürlich!“, ich schüttle die ausgestreckte Hand von Frau Bauer. Ihre Gesichtszüge zeigen Müdigkeit, Besorgnis und doch auch Freundlichkeit. Wo sie wohl die Kraft herholt?
Ich erkenne meine eigenen Gedanken nicht wieder, ich scheine mehr Gefühle zu besitzen, als ich vermutet habe. Langsam nähere ich mich dem Bett, in dem der Kleine liegt. Blaue Flecken sind überall auf seinem Körper zu sehen, sein Gesicht zeigt Schmerzen … Die Dosis des Schmerzmittels ist eindeutig zu niedrig, wie ich an dem Tropf erkenne. So stelle ich ihn höher und sehe zu, wie sich das kleine, zarte Gesicht entspannt. Sein Puls- und Herzschlag geht kräftig und regelmäßig, der Blutdruck ist optimal. Kein Fieber, alles sehr gut. Lediglich die Kopfwunde scheint den Ärzten Gedanken zu machen, dank dieser liegt er im Koma, was nicht künstlich ist. Das wird sich geben, er ist jung und kräftig. Meine Hand fährt sachte über die Wange des Kleinen, bevor ich sie ruckartig zurückziehe. Gar nicht meine Art, ich muss damit aufhören. So setze ich mich neben ihn und beobachte die Monitore.
Abrupt wird die Tür aufgerissen und drei Ärzte kommen ins Zimmer. „Theo Bauer, Treppensturz, mehrere Brüche, Gehirnerschütterung, natürliches Koma!“
„Maßnahmen?“
„Operative Behandlung der Brüche, Schmerzmittel und regelmäßige Versorgung der Wunden!“ Der Oberarzt nickt, und schon verschwinden die drei Männer aus dem Raum. Nett, diese Herren, wirklich nett, grummele ich innerlich.
So vergeht die Zeit, aus Minuten werden Stunden, bis am späten Abend Frau Bauer wieder den Platz neben ihrem Sohn einnimmt. Verwundert sehe ich sie an: „Mein Mann kommt einfach nicht nach Hause, seit gestern Mittag ist er fort“, sie sieht mich entschuldigend an.
„Er wird seine Gründe haben, machen Sie sich keine Sorgen!“, zwinge ich mich zu sagen.
Leise flüstert sie: „Würde er nur für immer fort bleiben, dann wäre mein Leben wieder lebenswert.“ Wie gerne würde ich ihr sagen, dass ihr Wunsch in Erfüllung geht, doch noch ist es nicht an der Zeit. Nun mache ich hier Feierabend, werde erst wieder zum Morgen erwartet und dieser wird es in sich haben, das weiß ich schon jetzt. Ein Anruf bei der Polizei später, ein Tipp, und sie werden sich eiligst auf den Weg zum Motel machen. Das Spiel beginnt und Chris ist sicher. Er wird nicht mal ansatzweise ins Visier der Polizei geraten, sofern er sich an meine Anweisungen hält. Bevor ich in mein Bett gleiten darf, fahre ich bei ihm vorbei, hinterlasse einen Zettel in seinem Briefkasten: „Stufe drei, nichts anderes antworten!“, inklusive der Bilder von Frau Huber. Mal sehen, ob er sich freuen wird.
Chris
Nach einem ausgefüllten Tag im Kindergarten, gehe ich entspannt nach
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