Jade-Augen
und eine jährliche Pension von vierhunderttausend Rupien zum Geschenk zu machen.
»Also bitte«, rief Sir William, nachdem er diesen Vorschlag den versammelten Offizieren vorgetragen hatte. »Der Mann ist so gierig und selbstsüchtig, wie ich angenommen habe. Ich sehe keinen Grund, warum wir diesen Vorschlag und seine Einladung zu einer Besprechung morgen früh nicht sofort annehmen sollten.«
»Sir William.« Widerwillig kam Kit der Verpflichtung nach, sich zu Wort zu melden. »Sie reden im Basar davon, daß Akbar Khan Verrat vermutet. Wenn wir sein Angebot von Ameenoollas Kopf annehmen, dann bestätigen wir diesen Verdacht.«
»Woher wissen Sie, worüber im Basar gesprochen wird?« wollte der Kronbevollmächtigte wissen.
Kit sah Bob und Colin an, die ihm nur ein Schulterzucken resignierter Sympathie zu bieten hatten. Er berichtete Sir William die ganzen Geschichten, die, wie er wußte, die Gesprächsthemen des Basars waren.
»Diese Frau … die …« Der General machte eine Handbewegung und ließ die Beschreibung diskret in der Luft hängen. »Diese Miss Spencer, sagen Sie, kennt Akbar Khan persönlich?«
»Ja, Sir«, bestätigte Kit hölzern. »Sie hat von ihrem zwölften Lebensjahr bis vor kurzem unter seinem Schutz gelebt.«
»Und jetzt steht sie unter Ihrem, nehme ich an«, sagte Sir William grob.
»So könnte man es nennen«, mußte Kit zugeben.
»Vielleicht sollten wir uns anhören, was sie zu sagen hat«, ließ sich einer der Offiziere aus dem Stab des Kronbevollmächtigten vernehmen. »Wenn Ralston es zuläßt, natürlich nur.«
»Sie ist schon seit einigen Wochen sehr begierig darauf, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen«, meinte Kit trocken. »Ihre Ansichten werden im allgemeinen auf etwas unverblümte Weise vorgetragen, davor sollte ich Sie vielleicht warnen.« Er blickte den Kronbevollmächtigten an und erhielt ein strenges, aber zustimmendes Nicken. Er begab sich in die Adjutantur. »Fähnrich, gehen Sie hinüber in meinen Bungalow und bitten Sie Miss Spencer, Sie hierher zu begleiten.«
Der Fähnrich salutierte und bemühte sich, nicht erstaunt dreinzublicken. Er wußte wie jeder, daß der Hauptmann ein afghanisches Mädchen in seinem Haus hielt; aber wer war Miss Spencer?
Das Gespräch im Generalsbüro verlief belanglos, da sie alle auf das Erscheinen von Hauptmann Ralstons Lady warteten. Sir William trug wenig dazu bei und konzentrierte sich statt dessen darauf, Akbar Khans Vorschläge wieder und wieder zu lesen. Nach etwa einer Viertelstunde öffnete sich die Tür und Annabel wurde hereingeführt.
Sie stand im Türrahmen, und nur ihre Augen wanderten durch den Raum, als wollte sie den Standpunkt aus den jeweiligen Gesichtern ablesen. Kit spürte die Kraft ihrer Selbstbeherrschung, die sie in einer Schule gelernt hatte, die viel härter war, als irgendeiner der an diesem Tisch Anwesenden sich vorstellen konnte, und sein Herz floß über vor Liebe und einem tiefen Schmerz, als er daran dachte, daß sie an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit vielleicht ein lebenslanges Glück erfahren hätten … wenn das Schicksal die Figuren anders bewegt hätte.
»Annabel, laß mich dich vorstellen.« Er stand mit den Anwesenden auf und streckte seine Hand nach ihr aus. Sie stellte sich neben ihn, bedankte sich für die Bekanntmachung mit einem Salaam, das vollkommen passend schien, da die Geste mit der ihr eigenen Anmut vertrauensvoll ausgeführt wurde. Dann setzte sie sich neben Kit auf einen Stuhl, der von dem überwältigten Fähnrich rasch herbeigeschafft worden war.
»Ich habe erfahren, daß Sie persönlich einiges über Akbar Khan wissen«, setzte Sir William an.
»Ich glaube, ich kenne ihn so gut wie kaum jemand«, bestätigte sie schlicht.
Der Kronbevollmächtigte hustete, und es entstand eine gewisse Unruhe im Raum, die Annabel offenbar nicht bemerkte. Sie blickte Sir William weiterhin aufmerksam an, während er ihr die Botschaft der Emissäre vorlas. »Vielleicht wären Sie so freundlich, uns an Ihrer Beurteilung derselben teilhaben zu lassen, Miss Spencer?« sagte er am Ende gewichtig, faltete das Papier zusammen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Es ist ein Komplott«, erklärte Annabel. »Sie befreien Akbar Khan von jeder Verpflichtung, sein Wort zu halten, wenn Sie sein Angebot von Ameenoollas Kopf annehmen. Er weiß von Ihren Ränken mit Mohun Lal und will lediglich Ihre Falschheit bloßstellen.«
»Sie beschuldigen mich der Falschheit, Miss?« Sir William setzte
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