Jade-Augen
kalten Bergseen. Die Erinnerung, die ihn auf beunruhigende Weise erregte, was jedoch vollkommen angemessen war, brachte Kit in einige Verlegenheit. Er schleuderte seine Stiefel und Strümpfe fort, wand sich mit dem Rücken zu seinem Diener aus dem Rock, pellte sich aus Hose und Unterwäsche und ließ sich rasch in das heiße Wasser gleiten. Die einfache Annehmlichkeit heißen Wassers vertrieb die peinliche Manifestation seiner durch die Erinnerung hervorgerufenen Erregung, und er legte sich mit einem erleichterten Seufzer zurück.
Sein Diener sammelte die abgelegten Kleidungsstücke ein, verließ den Raum geräuschlos und kehrte nach kurzer Zeit mit Rasierzeug, einem Kamm und einem Handspiegel zurück. Er stand gleichmütig beim Fenster, während Kit badete, sich rasierte und die Haare kämmte. Als er sich aus dem Bad erhob, hörte Kit draußen Lachen. Es war das Lachen von Frauen, und er bemerkte, wie er sich anstrengte, den fröhlichen, ansteckenden Klang herauszuhören, den er schon zuvor einmal vernommen hatte. Aber eine Stille, die ihn verdroß, breitete sich wieder aus.
Vielleicht war sie mit Akbar Khan zusammen.
Er trocknete sich mit lebhafter, ja fast schmerzender Energie ab. Wenn er sich selbst und seine Truppe aus dieser Festung des höchstrangigen Befehlshabers der afghanischen Rebellen heil herausbringen wollte, ganz zu schweigen von der Errettung der Frau, dann mußte er sich auf wichtigere Fragen konzentrieren. Ayeshas Zusammensein mit dem Rebellenanführer durfte ihn im Augenblick nicht ablenken.
»Wenn Ralston, Huzoor, geruhen würde …«
Der Diener sprach in dem gewohnten leisen, fast schon unterwürfigen Ton und hielt ihm einen weißen Chapan entgegen.
Kit nahm das mantelähnliche Kleidungsstück mit einem dankbaren Nicken entgegen und fragte sich, warum ihn der Ton des Mannes mißtrauisch machte. Aber natürlich gab es auf Gottes Erdboden keinen Grund für den Mann, eines hündischen Feringhees Diener zu sein, der in Wahrheit ein Gefangener war. Seine Unruhe nahm mit seinem Gefühl zu, die Maus für eine unsichtbare Katze zu spielen.
Er wurde in den Raum gebracht, wo seine Kleidungsstücke bereitlagen. Sie waren ausgebürstet und gebügelt worden, man hatte die Knöpfe seiner Jacke und seine Stiefel auf Hochglanz poliert. Sie würden selbst vor Harleys Augen bestehen, kam es ihm in den Sinn, und er dachte an seinen gewissenhaften und anspruchsvollen Burschen, der jetzt wahrscheinlich seine Freizeit in Sicherheit und Gesundheit in Ralstons Kantonnementsbungalow genoß.
Sauberkeit und in Ordnung gebrachte Kleidung verliehen einem Mann ein willkommenes Maß an Selbstvertrauen, fand Kit, als er dem noch immer eisigen Diener weitere Korridore entlang folgte. Das Gefühl, daß man sich in einer hochgerüsteten Festung befand, wurde immer deutlicher. Große, schwerbewaffnete Männer standen überall an Türen, unter Fenstern und marschierten durch kleine Innenhöfe. Doch die großzügige Ausstattung mit Gobelins, Mosaiken und Bokhara- Teppichenstraften die eigentliche Funktion des Palastes Lügen. War Akbar Khan ein ebensolches Rätsel wie diese Palastfestung?
Ein schwerer Wandteppich wurde zurückgezogen, und Leutnant Christopher Ralston, Kavallerieoffizier der Ostindischen Kompanie, betrat das Audienzzimmer von Akbar Khan, dem Sohn des entmachteten Dost Mohammed, dem eingeschworenen Feind Ihrer Königlichen Hoheit, Königin Victoria, samt all ihrer Vertreter.
Akbar Khan erhob sich von seinem mit Kissen ausgepolsterten Podium, als der Soldat den Raum betrat. »Ralston, Huzoor« ,lächelte er und trat mit zum Gruß ausgestreckter Hand vor. »Es ist mir eine Ehre – in der Tat.«
Kit nahm die Hand, spürte die Festigkeit des Griffs und wünschte sich insgeheim, eine Million Meilen von dieser Bergfestung entfernt zu sein, während er zugleich den ritterlichen Impuls, der ihn hergeführt hatte, als wahnsinnig erkannte.
»Ich habe gehört, daß du mir etwas zu sagen hast«, begann der Sirdar und zog seinen Gast zu dem Podium. »Laß uns jetzt darüber sprechen, wenn es dir recht ist, und uns dann ein wenig an Essen und bescheidenen Darbietungen erfreuen.«
Kit vertrieb alle Grillen aus seinem Kopf, der sonst dem Verstand seines gedrungenen, kraftvollen und offenbar heiteren Gastgebers nicht gewachsen wäre. Sie ließen sich auf den Kissen nieder, und Kit wurde leicht alkoholisches Getränk angeboten, von dem Akbar Khan hoffte, daß es seinem Gast schmecken würde. Er selbst trank natürlich
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