Jade-Augen
Wangenknochen spannte, würde runzlig werden. Die Muskeln würden auf der Jagd durch Spielzimmer und Boudoirs, durch den Einfluß von Flasche und Völlerei erschlaffen und ihre jugendliche Kraft verlieren. Es war durchaus kein unintelligentes Gesicht. Vielleicht begriff er, anders als die Mehrheit dieser Ungläubigen, die blind war vor Arroganz und sich in ihrem schlecht befestigten Kantonnement außerhalb von Kabul zusammendrängte im Vertrauen auf die Unbezwingbarkeit der Rai, der britischen Herrschaft, ein wenig mehr von den Gegebenheiten.
Aber welcher Art war der Umgang dieses Ralston mit Ayesha gewesen? Akbar Khan strich sich über seinen kurzen schwarzen Bart, und eine Falte bildete sich zwischen seinen ungewöhnlichen blauen Augen. Sie hatten … das war schließlich natürlich … miteinander englisch gesprochen, aber ihre Eskorte hatte ihm versichert, daß die Frau die ganze Zeit über, wie es sich gehörte, von Kopf bis Fuß verschleiert gewesen war. War es möglich, daß sie ihm in dieser kurzen Zeit, die sie miteinander geredet hatten, ihre Geschichte erzählt hatte? Wenn der Bericht, den man ihm gemacht hatte, zutraf, und es bestand kein Grund, daran zu zweifeln, dann konnte sie nicht die Zeit, Einzelheiten zu erzählen, gehabt haben. Aber die Neugier des Engländers war sicher erregt. Und was war mit Ayesha? Hatte auch sie die erste Begegnung mit einem Landsmann nach acht Jahren neugierig gemacht? Natürlich hatte sie versucht, dieses Interesse vor ihm zu verbergen, wie er ihrem ausweichenden Bericht entnehmen konnte.
Akbar Khan drehte sich von dem Fenster fort. Er konnte ihr eine derart natürliche Reaktion kaum vorwerfen, aber sie mußte lernen, daß sie ihm nichts verbergen durfte. Vielleicht würde er ein kleines Spiel mit ihnen beiden spielen, eines, das ihre jeweilige Verfassung klar zutage treten lassen würde. Ein Lächeln zog seine Mundwinkel nach oben – kein boshaftes Lächeln, eher kapriziös.
Er blickte zur Sonne empor. Es war noch immer früher Nachmittag, und er konnte sich eine Stunde des Vergnügens leisten, bevor er seine Aufmerksamkeit dem Leutnant und dessen Angelegenheiten zuwenden würde. Es war vier Wochen her, seit er Ayesha in der Festung bei Madella zurückgelassen hatte – vier Wochen harter Kampagnen – und ein wenig von ihrer Weichheit wäre an diesem Nachmittag nicht unwillkommen. Es war schon merkwürdig, daß keine andere Frau ihm genug war, wenn er dieses Bedürfnis verspürte. Nach drei oder vier Wochen Trennung pflegte er sie zu sich zu holen, wenn er sie bei seinem derzeitigen Nomadenleben hatte zurücklassen müssen. Seit fünf Jahren besaß sie diese magische Gewalt über ihn.
Akbar Khan schlenderte auf den Zenana zu.
»Ralston, Huzoor.«
Die leise Stimme drang schließlich bis in Kits schlafendes Gehirn vor. Er öffnete seine Augen und blickte in einen verwirrend unvertrauten Raum und konnte sich ein paar Sekunden lang nicht zurechtfinden. Ein braunes Gesicht, eine Kappe über schwarzen Locken, dunkle Augen, der leise gesprochene Ehrentitel, all dies war ihm fremd. Dann wurde sein Verstand klar. Er setzte sich auf, erkannte, daß er zum ersten Mal seit Monaten ohne einen Kater erwachte. Diesen Morgen mochte er gar nicht zählen, weil er in der Nacht nur kaum geschlafen hatte. Er fühlte sich erstaunlich fit.
»Der Sirdar erwartet dich, Ralston, Huzoor« ,sagte der Mann auf Persisch in dem gleichen ruhigen und höflichen Tonfall.
Kit fühlte sich gut, aber er kam sich auch dreckig vor. Er hatte einen zweitägigen Bartwuchs, und der Staub der Ebene bedeckte seine Haut und Uniform. Einen ungünstigen Eindruck auf Akbar Khan konnte er sich jedoch nicht leisten.
»Ich muß mich waschen und rasieren«, erklärte er. »Und meine Kleidung muß ausgebürstet werden.« Er ergänzte die Worte mit den entsprechenden Gesten, aber der ihm zugewiesene Diener schien sie nicht zu benötigen. Er nickte und bedeutete dem Leutnant, ihm zu folgen.
Sie schritten durch einen gewölbten Gang, der sich auf einer Seite in einen Hof, dessen Boden mit Mosaiken geschmückt war, öffnete, und traten durch einen Bogen in einen Dampfraum.
»Bitte …« Sein Führer wies auf ein viereckiges, gefliestes Becken, das in den Boden eingelassen war, bevor er einen der Eisenkessel aufnahm, die am hinteren Ende des Raumes bereitstanden. Das heiße Wasser ergoß sich zischend über den gekachelten Boden des Beckens, gefolgt von dem kalten Wasser des zweiten Kessels.
Ayesha badete in
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