Jade-Augen
Leutnant Graham … Leutnant Troughton.« Er trat zur Seite, um Bob Markham, Derek Graham und William Troughton einzulassen.
»Dachte, wir könnten unsere Sorgen gemeinsam ertränken«, begann Bob und schwenkte eine Flasche Rotwein. Es war offensichtlich, daß er bereits ein Stück weit vorangekommen war mit diesem Ziel, und seine Gefährten sahen auch nicht gerade so aus, als hätten sie dürsten müssen.
Kit runzelte die Stirn. Bob konnte doch den »Gast« seines Freundes nicht vergessen haben? »Es ist ein bißchen ungünstig«, begann er und änderte dann seine Meinung. Annabel hatte ziemlich klar gemacht, daß sie seine Gesellschaft nicht wünschte, warum sollte er also in elender Einsamkeit im Wohnzimmer sitzen und allein ins Feuer starren?
»Kommt rein. Harley, öffne ein paar Flaschen fünfunddreißiger Rotwein, ja?«
Er geleitete die drei ins Wohnzimmer. »Ich könnte auch eine Aufmunterung brauchen.« Er warf mehr Holz aufs Feuer und zog die Vorhänge vor, um damit den freudlosen Anblick auf die Dunkelheit auszusperren. »Whist?« er suchte in einer Schublade nach Spielkarten.
Im nebengelegenen Zimmer hörte Annabel das Murmeln der Stimmen durch die dünne Innenwand. Sie stieg aus der Wanne, trocknete sich ab und versuchte unterdessen, einzelne Worte und Stimmen voneinander zu unterscheiden. Wie viele Besucher hatte er? Sie meinte die Stimme des Mannes zu erkennen, den sie heute morgen kennengelernt hatte – der eine, der anscheinend alles über sie wußte. Gehörten Kits andere Besucher auch zu seiner Klatschrunde in der Offiziersmesse? Es war naheliegend, das anzunehmen. Er hatte es ganz eindeutig nicht für nötig befunden, Ayeshas Anteil an seinem Abenteuer, wie es sich für einen Gentleman gehört hätte, zu verschweigen. Aus irgendeinem Grund schmerzte der Gedanke sie genauso, wie er sie wütend machte und in ihr den Wunsch und Plan, diese Taktlosigkeit auszugleichen, wachrief.
Sie zog ihre Hose und Jacke an, schlüpfte mit den Füßen in ihre Pantoffeln, verhakte die Zehen mit dem Saum der Hose und flocht ihr Haar, das sie in einem dicken Zopf über den Rücken fallen ließ. Nun fehlte nur noch ein Schleier.
Christophers Kommode enthielt Hemden, Unterwäsche, Taschentücher und Schals. Sie nahm einen der letzteren, schüttelte ihn aus seinen sauber gebügelten Falten und nickte zufrieden. Daraus ließ sich ein brauchbarer Schleier machen, der Gesicht und Haare verdecken und nur ihre Augen sichtbar lassen würde. Ein kleines emailliertes Kistchen auf der Kommode enthielt eine Diamantnadel. Sich rechtfertigend, daß Kit, der sie von ihrem eigenen Hab und Gut entfernt hatte, ihre Entbehrungen auch wieder ausgleichen müsse, benutzte sie die Nadel, um den Behelfsschleier über ihrem Ohr festzustecken.
Der Spiegel der Frisierkommode zeigte ihr Ayesha.
Leise verließ sie das Schlafzimmer, hielt vor der Wohnzimmertür kurz inne, lauschte dem Lachen und den Stimmen, von denen manche etwas heiser klangen, dann drehte sie den Türknopf und betrat den Raum.
Die vier Männer blickten vom Kartentisch in der Erwartung auf, Harley zu sehen. Doch sie sahen eine afghanische Frau in der Tür stehen. Ihre Hände berührten ihre Stirn in der mohammedanischen Geste der Begrüßung, bevor sie sich so fließend wie das Sonnenlicht durch den Raum bewegte und vor das Feuer auf den Boden setzte. Die Hände im Schoß gefaltet saß sie mit gesenkten Augen in vollkommener Bewegungslosigkeit.
Kit erholte sich als erster. »Annabel, was ist das für ein Spiel, das du da spielst?« fragte er mißtrauisch.
Ihre Augen erhoben sich und richteten sich auf ihn. »Ist es mir gestattet, vor deinen Gästen zu sprechen, Ralston, Huzoor? Ich habe mir gedacht, daß du vielleicht wünschst, ich solle sie auf irgendeine Art unterhalten. Du weißt, nehme ich an, daß ich manche Begabung besitze.« In ihrer Stimme schwang eine derart spitze Unverschämtheit, daß er einen Augenblick sprachlos war, bis er plötzlich begriff, worauf sie anspielte. Sein Stuhl stürzte scheppernd um, so plötzlich erhob er sich.
»Du wagst es vorzuschlagen –«
Bob war mit einem Mal nüchtern, als sein Freund, weiß vor Zorn, über die sitzende Frau herfiel. »Langsam, Kit. Reiß dich zusammen, Mann.«
»Mich zusammenreißen!« schrie Kit. »Ist dir klar, war sie vorschlägt?«
»Warum sollte dir das etwas ausmachen?« fragte Ayesha gelassener, als sie sich innerlich fühlte. Aus irgendeinem Grund hatte sie nicht erwartet, daß Kit derartig zornig
Weitere Kostenlose Bücher