Jade-Augen
Trompeter fuhr darin fort, seinen immergleichen Ruf zu blasen, der über dem Gejohle der Feinde und dem ununterbrochenen Knallen der Gewehre vibrierte. Die Dunkelheit der Nacht wich vor den Schemen der Kämpfe zurück, die mit jedem Krachen der Muskete sichtbar wurden.
Unter erstickten Schlachtrufen, geboren aus den Tagen des untätigen Wartens und ihrer eigenen Angriffslust, führten die beiden Offiziere ihre Gruppe von Sepoys in das Kampfgetümmel. Ihre überraschende Ankunft, die stürmende Attacke überrumpelte den Feind und verschaffte Mackenzies erschöpften Männern den letzten, notwendigen Antrieb.
Eine halbe Stunde später kehrten sie in das Kantonnement zurück, die hinzugekommene Kavallerie, die nicht durch zwei Tage unablässigen Kämpfens und einem verzweifeltem Marsch über die Ebene geschwächt war, bildete die Nachhut und brachte sich nicht eher in Sicherheit, bevor nicht der letzte erschöpfte Infanterist auf sicherem Gelände war. Die großen Tore wurden zugeworfen, und die Männer auf den Wällen, die den eigenen Truppen den Rücken gedeckt hatten, jagten den Feind, der zum ersten Mal auf ernst zu nehmenden Widerstand gestoßen war, schließlich in die Flucht.
Menschen kamen aus den Bungalows und Baracken herbeigeeilt und boten den am Ende ihrer Kräfte angelangten Frauen und Kindern, die mit Mackenzie gekommen waren, Herberge.
»Ihr habt euch wirklich Zeit gelassen«, bellte Colin, noch immer so gerade auf seinem Pferd, als ob er es soeben nach einem Schlummer bestiegen hätte.
»Was nicht heißt, daß wir es nicht immer wieder versucht haben«, entgegnete Kit voller Mitgefühl. »Bob hat auf Elphinstone eingeredet, bis er blau war, aber –« Er verstummte und saß ab.
»Ja. Ich kann mir vorstellen, wie es war.« Mackenzie fuhr mit den Fingerspitzen über seine trockenen, aufgesprungenen Lippen. »Euch beiden jedenfalls meinen Dank. Ich nehme an, ich sollte jetzt Meldung machen.« Er schwang sich von seinem Pferd und blickte über den Exerzierplatz, der vor Leben kochte und beinahe festlich erleuchtet war durch die Öllampen in Fenstern und Eingängen; dazu kamen jene, die von Dienern hochgehalten wurden für die Feldärzte, die sich zwischen den Verwundeten bewegten, um sie zu untersuchen und Verbände anzulegen. »Wenigstens werden die armen Teufel versorgt.«
»Du siehst so aus, als ob du selbst ein wenig Aufmerksamkeit gebrauchen könntest«, bemerkte Bob, sein Pferd einem Kavallerist übergebend. »Du bist in meinem Bungalow willkommen, wenn –«
Er wurde durch einen Entsetzensschrei von Kit unterbrochen. Der Grund für seinen Ausruf brach in Form blitzender Augen und fliegendem Kupferhaar über sie herein. Mit einem lose um die Schultern geworfenen Mantel bekleidet, sprang Annabel Kit vor die Füße.
»Du warst mit ihnen draußen!« gellte ihre Stimme. »Ohne es mir zu sagen, bist du in den Kampf gegangen, gegen die Ghazi. Du hast versprochen, daß du es nicht vergessen würdest, mir zu sagen, wenn –«
»Um Himmels willen, hör auf!« Kit war weiß im Gesicht und die Männer um ihn her sprachlos, selbst der etwas besser informierte Bob, der sich nicht vorstellen konnte, wie sein Freund mit dieser öffentlichen Szene fertig werden wollte.
»Du hast dir wohl nicht vorgestellt, daß ich mich frage, wo du bist«, fuhr sie fort, seinen Zuruf nicht beachtend. »Du hast gesagt, du wolltest zum Tor gehen, nur für ein paar Minuten … und bist seit Stunden und Stunden ohne eine Nachricht verschwunden … nun finde ich dich hier, nachdem du dich höchster Gefahr ausgesetzt hast –« Die Tirade fand ein abruptes Ende, als Kit, jetzt rot im Gesicht, sie hart an den Schultern packte.
»Schweig!«
Langsam glitt ihr Blick über die sie umgebenden Gesichter und hielt dann bei den Menschen auf dem Exerzierplatz inne, die dastanden und sie anstarrten. »Es tut mir leid«, sagte sie, die Stimme nun leise und die Augen weit vor Zerknirschung. »Aber ich hatte solche Angst um dich, daß ich nicht anders konnte …«
»Wer ist diese junge Frau?« wollte eine Matrone mit spitzem Akzent in einer Ecke des Platzes wissen. »Ich habe sie noch nie gesehen. Und was sind das für Kleidungsstücke, die sie trägt?«
»Geh zurück ins Haus und warte, bis ich komme«, ordnete Kit in mühsamer Selbstbeherrschung an. »Ich werde mich später um dich kümmern.«
Sie drehte sich um, eilte durch die sich teilende Menge, die Kapuze ihres Mantels über dem Kopf, die Augen fest auf den Boden gerichtet, als ob
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