Jade-Augen
nicht sehr gutgetan haben«, bemerkte Annabel.
»Keine ermutigende Feststellung, meine Liebe! Jedenfalls mietete ich, wie es häufig in solchen Situationen geschieht, Lucy ein Haus in Hampstead, wo sie meines Wissens nach außerordentlich glücklich war und es genoß, den Haushalt zu führen und meine Pantoffeln zu wärmen –«
»Sowie andere Dinge«, steuerte Annabel hilfreich bei.
»So könnte man es sagen. Würde es dir etwas ausmachen, deine Ergänzungen für dich zu behalten? Ich empfinde sie keineswegs ermutigend bei meiner Geschichte.«
»Ich bitte um Entschuldigung.« Sie preßte die Lippen aufeinander.
»Also, wie ich es bereits gesagt habe, war Lucy sehr zufrieden, genau wie ich vollkommen zufrieden damit war, sie immer dann zu besuchen, wenn ich dazu Lust hatte und es den Erfordernissen des Regimentslebens nicht im Wege stand … den Kartentischen, Bällen, Abendgesellschaften … all diesen Dingen.«
Spott lag in seiner Stimme, und er blickte über den Kopf mit dem glänzenden, kupferfarbenen Haar hinweg in eine andere Welt. »Selten war ich nüchtern, aber allen anderen ging es nicht anders. Wir hatten wenig Grund es zu sein. Unglücklicherweise kann Brandy die weniger angenehmen Seiten bei manchen Menschen zum Vorschein bringen. Drei meiner Offizierskollegen kamen eines Nachts zu dem Schluß, daß mein Besitz einer so bezaubernden und gefälligen Geliebten sie auf ungerechte Weise ausschlösse.«
Er strich sich eine ihn am Kinn kitzelnde Haarsträhne von Annabel aus dem Gesicht, die sich dorthin verirrt hatte. Der Spott hatte seine Stimme verlassen, und sie war jetzt flach, fast ausdruckslos.
»Alle drei hatten wie immer gebechert, und ich glaube nicht, daß sie Lucy wirklich etwas antun wollten. Aber sie war schließlich nur ein Ladenmädchen und damit für diese betrunkenen Aristokraten eine leichte Beute, vor allem, weil sie ja bereits angezeigt hatte, wie es um ihre Tugend stand.«
Annabel schälte sich aus seiner Umarmung und drehte sich mit einem Ausdruck des Entsetzens und Abscheus auf ihrem Gesicht um. »Haben sie sie vergewaltigt?«
Kit schüttelte den Kopf. »Ich kam gerade rechtzeitig zurück, nach einer besonders erfolglosen Nacht an den Spieltischen und zuviel Brandy. Sie waren noch dabei, Lucy … zu … überreden … ihnen gefällig zu sein. Sie schlotterte vor Angst, das arme Mädchen, aber offen gestanden waren sie alle zu voll, um noch irgend etwas erreichen zu können. Aber ich dachte auch nicht mehr ganz klar. Ein schauerlicher Krawall entstand, der damit endete, daß ich alle drei dazu herausforderte, sich mit mir zu duellieren.« Er lachte kurz und bitter auf. »Pistolen im Morgengrauen.«
Sie starrte ihn an. »Du hast ein Duell ausgetragen?«
»Drei, um genau zu sein, eins nach dem anderen.« Er lehnte sich in die Kissen zurück und schloß die Augen. »Verrückt. Vollkommen verrückt.«
»Hast du sie getötet?«
»Nein, natürlich nicht … nur ein wenig angekratzt. Aber es löste einen monumentalen Skandal aus. Man schlägt sich nicht wegen Ladenmädchen, verstehst du. Man soll überhaupt keine Duelle austragen, aber in wirklichen Ehrenhändeln drücken die Autoritäten schon mal ein Auge zu. Ladenmädchen allerdings haben nichts mit Ehre zu tun.«
»Und was geschah dann?«
Kit zuckte die Schultern. »Ich wurde gezwungen, mein Offizierspatent bei den Dragonern zurückzugeben. Mein Betragen entsprach nicht dem eines Gentleman.«
Sie schüttelte den Kopf: »Mir erscheint es sehr ritterlich. Ein Afghane würde sie ganz langsam in kleine Stücke zerhackt haben.«
»Nun, Liebste, das war die Geschichte der Gardeparaden in London.«
»Aber warum hast du dich der Kavallerie der Ostindischen Kompanie angeschlossen? Ich hätte gedacht, daß du genug vom Soldatentum hattest.«
»Das war auch so, aber mein alter Herr hatte auch genug von mir.« Kit lachte wieder dieses hohle Lachen. »Er hatte lange Zeit viel Geduld für mich aufgebracht, aber dieser letzte Skandal überstieg alles Dagewesene. Und da ich vollkommen abhängig war … bin … von seiner Freigebigkeit, bis ich mein Erbe antrete, hatte ich nicht die Wahl und mußte seinen Anweisungen gemäß das Land verlassen. Jetzt bin ich hier.«
»Ja, du bist hier«, sagte Annabel nachdenklich, mit überkreuzten Beinen und einem Lächeln im Blick: »Stell dir nur vor, wenn keines dieser Dinge geschehen wäre, würden wir heute nicht in diesem Raum zusammensitzen. Es ist Schicksal … unentrinnbares Schicksal. Und ich
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