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Jaeger

Jaeger

Titel: Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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der Zeit erschuf er sich einen Ort in seinem Geist, der es ihm ermöglichte, seiner Arbeit nachzugehen und sich hinterher von der Schuld zu befreien. Auf diese Weise lernte er, als ein Toter mit sich selbst zu leben.
    Er hörte, wie hinter ihm die Tür des Zimmers geöffnet und kurz darauf wieder geschlossen wurde.
    Augenblicklich flog sein Bewusstsein aus der Vergangenheit zurück in die Gegenwart. Er fand den roten Punkt … gleich darauf war er wieder in der realen Welt angekommen.
    »Hallo.«
    Er drehte sich um. Im ersten Moment verschwamm alles vor seinen Augen. Er war zu überhastet wieder im Hier aufgetaucht. Dann sah er Dee Sloane, die an der Tür lehnte und sich die Bluse aufknöpfte.
    »Ich habe überall nach dir gesucht.« Ein weiterer Knopf wurde geöffnet. Ihr Blick glitt über seinen Körper. Verweilte auf seiner nackten Brust. »Du hast wohl schon ohne mich angefangen.« Langsam kam sie näher. Bei jedem Schritt trafen die Pfennigabsätze ihrer Schuhe den Fußboden mit einem scharfen Klacken, wie der Schuss eines Armbrustbolzens, der ins Schwarze trifft.
    Er blieb, wo er war. Zwang sich, nicht zu reagieren.
    »Ich weiß, was du wolltest«, sagte sie. »Ich habe es in deinen Augen gesehen. Du hast versucht, dir nichts anmerken zu lassen, aber ich weiß immer, wenn jemand scharf auf mich ist.«
    Ihre Bluse fiel neben ihm zu Boden. Er sah nicht auf.
    »Du willst mich doch. Ich weiß, dass du mich willst.«
    Er blickte starr geradeaus. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie die Hände zu Fäusten ballte.
    »Ich habe ernst gemeint, was ich eben gesagt habe. Ich will, dass du mich unterwirfst. Ich will, dass du mich brichst.« Das letzte Wort war nur noch ein Zischen, ein Flüstern.
    Ihr BH fiel auf ihre Bluse. Noch immer hob er nicht den Kopf.
    »Keine Sorge, Michael spielt am Laptop herum, das kann noch eine ganze Weile dauern. Und überhaupt …« Mit dem Finger fuhr sie seine nackte Schulter entlang. »Du bist größer als er.« Der Druck ihres Fingers wurde stärker. »Viel größer …«
    Ihre Fingernägel gruben sich in sein Fleisch, und ihre Stimme war jetzt ganz nah an seinem Ohr. So nah, dass die Haut in seinem Nacken kribbelte. »Ich stehe darauf, wenn ich nicht weiß, was du gleich mit mir machen wirst … diese Angst … das macht mich so unglaublich heiß …«
    Er packte ihre Hand und drückte zu. Sie stieß einen leisen Schrei aus. Erst jetzt hob er den Kopf und sah ihr in die Augen.
    »Geh.«
    Verwirrung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie blinzelte sie fort. Rang sich sogar ein Lächeln ab.
    »Ich habe gesagt, geh.« Seine Stimme blieb leise und ruhig.
    »Schon gut, Michael ist –«
    »Geh.« Ein Befehl. Endgültig.
    Sie brach den Blickkontakt ab. Bückte sich, um ihre Kleider aufzuheben. Er hörte ihre Absätze klackern, dann das Öffnen und Schließen der Tür. Stille.
    Er seufzte. Sah auf seine Hände herab.
    Sie zitterten.
    31 Der Wagen holperte über den unebenen Weg, so dass Marina am Steuer ziemlich durchgeschüttelt wurde.
    Am Fuß des Hügels hielt sie an. Hier endete die Straße in den Dünen. Sie schaltete den Motor ab und stieg aus. Sie war am Meer, doch selbst in der Sonne war es ein trostloser Anblick. Uralte verwitterte Strandhäuschen, bei denen die Farbe ihres Anstrichs allenfalls noch zu erahnen war, standen in einer Reihe vor den kümmerlichen, mit hartem Gras bewachsenen Dünen. Der Sand war grob, nass und schlammig. Sie stellte sich vor, wie nichtsahnende Spaziergänger darin steckenblieben und in die Tiefe gezogen wurden. Alte Boote, viele von ihnen längst nicht mehr seetüchtig, lagen angekettet in der Nähe des Ufers. Dahinter mündete der Fluss in die Nordsee.
    Sie wandte sich nach links. Dort hinten lag ein von einer Mauer eingefasster Garten, in dem ein rostiger Wohnwagen stand. Dann schaute sie nach rechts. Das Bauernhaus war mittlerweile verfallen und schutzlos den Elementen ausgesetzt. Aber auch wenn es eines Tages einstürzen würde, seine Geister würde Marina bis an ihr Lebensende in sich tragen.
    »Du Dreckskerl«, sagte sie laut. »Du verdammter Dreckskerl …« Der Wind riss ihre Worte mit sich fort.
    Dies war der Ort, an dem sie fast gestorben wäre. Dies war der Ort ihrer Geburt.
    Oder vielmehr ihrer Wiedergeburt.
    Etwas mehr als drei Jahre zuvor hatte ein wahnsinniger Killer sie verschleppt und unter dem Wohnwagen in einem Kellerverlies gefangen gehalten. Er hatte ihr ungeborenes Kind haben wollen, das Kind, dem sie später den Namen

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