Jäger der Macht: Roman (German Edition)
heilten sehr schnell – außerhalb eines Kampfes nicht sehr hilfreich war. Dennoch ergaben diese beiden Fähigkeiten zusammen eine äußerst mächtige Kombination.
» Sein Onkel, sagen Sie?«, fragte Harms, während er Waynes Hand ergriff und schüttelte.
» Mütterlicherseits«, erklärte Wayne. » Ich stamme natürlich nicht aus der Ladrian-Linie. Ansonsten wäre ich hier der Herr, nicht wahr?« Er klang gar nicht wie er selbst, aber gerade das war Waynes Spezialität. Er behauptete, dass drei Viertel einer guten Verkleidung von Sprache und Akzent abhingen. » Ich wollte schon seit langer Zeit herkommen und mir den Knaben ansehen. Wissen Sie, er hat eine etwas stürmische Vergangenheit. Er braucht eine feste Hand, die dafür sorgt, dass er nicht in seine alten Gewohnheiten zurückfällt.«
» Der Ansicht bin ich auch!«, sagte Harms. » Ich nehme an, wir dürfen uns setzen, Großherr Ladrian?«
» Ja, natürlich«, sagte Waxillium und warf Wayne einen verstohlenen Blick zu. Wirklich?, sagte dieser Blick. Geschieht das hier wirklich?
Wayne zuckte bloß die Achseln. Dann drehte er sich um, ergriff Steris’ Hand und verneigte höflich den Kopf. » Und wer ist dieses liebliche Geschöpf?«
» Meine Tochter Steris.« Harms setzte sich. » Haben Sie Ihrem Onkel nichts von unserem Besuch gesagt, Großherr Ladrian?«
» Ich war so überrascht von seinem Erscheinen, dass ich bisher nicht die Gelegenheit dazu hatte«, antwortete Waxillium. Er nahm Steris’ Hand und verneigte sich ebenfalls vor ihr.
Sie bedachte ihn mit einem kritischen Blick; dann schaute sie zu dem Mantel und dem Hut in der Ecke hinüber. Sie zog die Mundwinkel herunter. Zweifellos nahm sie an, dass diese Kleidungsstücke Waxillium gehörten.
» Das ist meine Cousine Marasi«, sagte Steris und deutete mit dem Kopf auf die Frau hinter ihr. Marasi hatte dunkle Haare, große Augen und hellrote Lippen. Sie senkte züchtig den Blick, sobald sich Waxillium an sie wandte. » Sie hat die meiste Zeit ihres Lebens im Äußeren Land verbracht und ist ziemlich schüchtern, also bitte bringen Sie sie nicht durcheinander.«
» Das würde mir nicht mal im Traum einfallen«, sagte Waxillium. Er wartete, bis sich die Frauen neben Harms gesetzt hatten, nahm dann auf dem kleineren Sofa ihnen gegenüber Platz und behielt die Tür im Blick. Es gab noch einen anderen Ausgang, aber er hatte herausgefunden, dass angenehmerweise kurz davor ein knarrendes Dielenbrett lag. Auf diese Weise konnte sich niemand an ihn anschleichen. Er hatte keine Lust darauf, eine Kugel in den Rücken zu bekommen, ob er nun Gesetzeshüter oder Großherr war.
Wayne setzte sich affektiert in einen Sessel unmittelbar rechts neben Waxillium. Eine ganze Weile starrten sich alle gegenseitig an. Wayne gähnte.
» Vielleicht sollte ich den Anfang machen«, sagte Waxillium schließlich, » und mich nach Ihrem Wohlbefinden erkundigen.«
» Vielleicht sollten Sie das tun, ja«, erwiderte Steris.
» Äh, ja. Wie geht es Ihnen?«
» Annehmbar gut.«
» Genau wie Waxillium«, bemerkte Wayne.
Alle wandten sich ihm zu.
» Na ja«, meinte er, » er nimmt auch alles an, was er bekommen kann. Ist das etwa Mahagoni?«
» Dies hier?«, fragte Harms und hielt seinen Stock hoch. » Allerdings. Das ist ein Familienerbstück.«
» Großherr«, warf Steris mit ernster Stimme ein. Belanglose Gespräche schienen sie nicht zu interessieren. » Vielleicht können wir mit diesem leeren Geschwätz aufhören. Wir alle wissen, worum es bei diesem Besuch geht.«
» Ach, ja?«, fragte Wayne.
» Ja«, sagte Steris mit kühler Stimme. » Großherr Waxillium, Sie befinden sich in der unangenehmen Lage, einen schlechten Ruf zu besitzen. Ihr Onkel – möge er beim Helden ruhen – hat den Namen Ladrian mit seiner gesellschaftlichen Abgeschiedenheit, seinen gelegentlichen kühnen Ausflügen in die Politik und einem himmelschreienden Abenteurertum getrübt. Sie sind aus dem Rauland hergekommen und haben zusätzlich zum schlechten Ruf des Hauses beigetragen, insbesondere wenn man Ihr beleidigendes Verhalten gegenüber einigen Häusern in den ersten Wochen Ihrer Anwesenheit in dieser Stadt bedenkt. Überdies ist Ihr Haus beinahe verarmt.
Aber auch unsere eigene Lage gibt Anlass zu Verzweiflung. Unsere finanzielle Situation ist ausgezeichnet, aber in der besten Gesellschaft scheint unser Name unbekannt zu sein. Mein Vater hat keinen männlichen Erben, dem er seinen Familiennamen hinterlassen könnte, daher ist eine
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