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Jäger der Nacht (German Edition)

Jäger der Nacht (German Edition)

Titel: Jäger der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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über solche Situationen.“
    „Welche Regeln?“
    „Die Regeln von Silentium.“ Ihre Finger berührten seine Schultern; sie zog sie zurück, als hätte sie sich verbrannt, und legte ihre Hand auf das Kissen. „Warum hat meine Frage Sie verletzt?“
    Vaughn sprach sonst mit niemandem über seine Vergangenheit, aber jetzt antwortete er Faith – fast wie unter einem Zwang, gegen den weder der Mann noch das Tier ankam. „Meine Schwester starb, als ich zehn war.“
    Skye war mit sieben so zart und schwach gewesen, dass sie selbst als Jaguar nicht überlebt hatte. Er hatte Nahrung besorgt, ihr alles gegeben, was er hatte, aber Skye hatte in dem Moment aufgehört zu kämpfen, als ihr klar wurde, dass ihre Eltern sie nie mehr holen würden. Als wäre ihre Seele weggeflogen, und er hatte nichts tun können, um sie wieder zurückzubringen. Sie hatte nicht mehr gegessen, nicht mehr getrunken und bald auch nicht mehr geatmet.
    Vaughn wäre beinahe auch gestorben, denn niemand war ihm so nahe gewesen wie Skye. Sie war ihm überallhin gefolgt, noch bevor sie laufen konnte, war immer in Bewegung und voller Energie. Er hasste seine Eltern, wollte Rache. Aber nicht, weil sie ihn verlassen hatten, sondern weil sie Skye das Herz gebrochen hatten.
    „Ich kann natürlich nicht nachempfinden, was sie Ihnen bedeutet hat“, sagte Faith, mit einer Wärme, die er einer Medialen nie zugetraut hätte. „Aber ich vermute, Sie trauern um sie.“
    „Trauern Sie auch um Marine?“
    Die silbernen Sterne in ihren Augen verblassten, bis sie in der Dunkelheit kaum noch zu sehen waren. „Mediale trauern nicht. Man muss fühlen, um zu trauern.“
    „Fühlen Sie gar nichts?“
    „Nein.“
    „Sind Sie sicher?“ Er senkte den Kopf, biss mit seinen scharfen Zähnen in ihr Ohrläppchen und legte die Hand auf ihren Mund, bevor sie schreien konnte.
    „Warum haben Sie das getan?“, flüsterte sie, nachdem sie seine Hand zur Seite geschoben hatte.
    „Ihr Körper fühlt. Ihr Körper hungert.“ Er war ganz nah an ihrem Ohr. „Körper und Seele können nicht so weit voneinander entfernt sein. Oder etwa doch?“
    Sie antwortete nicht. Er hörte, wie schnell ihr Herz schlug, und wusste, dass er zu weit gegangen war. Aber noch nicht weit genug. Sie musste noch viel weiter gehen, musste noch viel mehr verstehen. Es war unumgänglich. Der Jaguar wusste warum, aber der Mann wollte es noch nicht einsehen.
    „Um Ihre Frage zu beantworten: Wenn ich einen nackten Mann bei meiner Schwester im Bett erwischt hätte, hätte ich ihn in Stücke gerissen.“ Er küsste ihren Hals und spürte den schnellen Pulsschlag, dann hob er den Kopf und sah sie an. „Und das würde ich auch mit jedem tun, den ich in Ihrem Bett erwische.“
    Faith blinzelte, und als sie die Augen wieder öffnete, glitt Vaughn wie ein Schatten durch das Oberlicht. Doch nichts konnte seinen Geruch aus ihren Laken und von ihrer Haut vertreiben. Als seine Lippen plötzlich über ihren so empfindlichen Hals geglitten waren, hatte sie die Hände zu Fäusten geballt, um einen Halt zu finden, wo es keinen mehr gab. Wie konnte er ihr das bloß antun?
    Silentium machte sie stark, weil sie ihre Gefühle dadurch im Griff hatte. Welche anderen Empfindungen würde der Jaguar noch in ihr auslösen, wenn sie losließ? Ihr Gehirn wehrte sich, zeigte ihr immer wieder Bilder ihrer lippenlosen Tante mit den wahnsinnigen Augen. Ein deutlicher Hinweis, ihre defekte Psyche wieder unter Kontrolle zu bringen, sonst würden die Visionen sie überwältigen; das taten sie jetzt schon fast. Vernünftig wäre es, einen M-Medialen aufzusuchen, ihm zu sagen, dass ihre Konditionierung sich auflöste, und um ein erneutes Training zu bitten.
    Aber würden sie das tu n – oder würden sie es als Rechtfertigung dafür benutzen, dass sie sie an einen „sicheren“ Ort brachten, von wo aus sie Vorhersagen machen konnte, ohne ihnen weitere Unannehmlichkeiten zu bereiten, indem sie zum Beispiel um mehr Privatsphäre bat?
    Nun, ganz egal, was die M-Medialen tun würden, sie würde nicht zu ihnen gehen. Sie würde eine Entscheidung treffen, auch wenn es vielleicht nichts zu entscheiden gab. Sie würde etwas tun, das sie vielleicht geradewegs dem Wahnsinn in die Arme trieb, dem sie entkommen wollte. Dieser fremde Teil von ihr, der gerade erwacht war, wollte diesen faszinierenden Jaguar nicht aufgeben, der sie berührte, als gehörte sie ihm, als hätte sie schon seinem Verlangen nachgegeben.
    Sei vorsichtig, Faith, flüsterte es

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