Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
mechanisch. Also doch. Holzner war in der Scheune gewesen.
Blut auf Fasern stammt von Nadine , schrieb Thomas Ilic.
Die rote Kunststoffdecke im Gästezimmer von Josepha und Maria Ettinger. Sechzig Prozent Baumwolle, vierzig Prozent Polyacryl, kein Herstellername. Sie hatte nachgesehen.
»’n Warmduscher«, sagte Bruckner. »Keine Eier in der Hose. Typ Mädchenschwarm, sag ich mal.«
Thomas Ilic schrieb.
Serge hat N. am Sonntagmorgen um fünf zum Martinstor bestellt , las sie. Taxifahrer hat die beiden gesehen. Serge: Probleme mit neuer Freundin. N. sollte ihm Rat geben. S. halbe Stunde später zur Freundin (Alibi o.k.). N. Richtung Taxistand.
»Was ist mit Inge Rovak und Rudi?«, flüsterte sie.
Waren mit N. im Kagan. Wissen nichts , schrieb Thomas Ilic.
»Spielt ja jetzt auch keine Rolle mehr«, sagte Bruckner.
Jetzt, wo wir Holzner haben, vollendete sie in Gedanken.
Holzner der eine, ein Polizist der zweite.
Wo warst du? , schrieb Thomas Ilic.
»Später«, flüsterte sie und wandte sich an Bruckner. »Hat Serge ein Auto?«
»’nen alten hellblauen Daimler. Traumschlitten. Die Eltern blasen ihm die Kohle in den Arsch, dass es nur so staubt.«
»Die Sache mit dem Jeep«, sagte Bermann, an sie gewandt.
»Ja?«
»Holzner hat keinen Jeep. Er hat kein Auto.«
»Weiß ich.«
»Also vergessen wir den Jeep?«
»Wie ist Nadine dann von Freiburg nach Grezhausen gekommen?«
Niemand antwortete.
»Und wenn es nicht nur ein Täter war?«
»Nicht nur ein Täter?«, fragte Bermann.
Schweigend erwiderte sie seinen Blick. Mindestens drei, Rolf, einer davon Polizist, vielleicht sogar Kripo. Kripo Freiburg, Rolf, ein Kollege von Louise Bonì, Kripo Freiburg .
Sie brauchte Zeit, um nachzudenken. Zeit, um Entscheidungen zu treffen. Um Fragen zu beantworten. Fragen wie: Was war nun am wichtigsten?
Nadine schützen.
Sie musste sie finden, aber inoffiziell. Sie musste herausfinden, was Nadine über die Täter wusste, doch niemand sonst durfte davon erfahren. Jeder Kripokollege konnte sich Zugang zur Fallakte verschaffen. Konnte sich über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden halten. Aber die Kollegen belügen? Bermann, Illi, Alfons Hoffmann, Meirich?
Und war Nadine dort, wo sie sich befand, in Sicherheit? Ging es ihr halbwegs gut?
Und Claus Rohmueller? Musste nicht wenigstens er informiert werden?
Almenbroichs Rat fiel ihr ein. Die Ettingers überprüfen. Wer wusste schon, worauf man da stieß. Und wenn er recht hatte?
Fragen über Fragen.
»Frau Bonì?«, sagte Reinhard Graeve.
Sie wandte sich ihm zu. »Es müssen mindestens zwei gewesen sein. Holzner hat kein Auto. Hat er Nadine zu Fuß nach Grezhausen gebracht? Mit der Bahn? Hat er sich ein Auto geliehen und danach zurückgebracht? Wohl kaum.«
»Sie hat recht, finde ich«, sagte ein Kollege, den sie nur flüchtig kannte. KHK Walter Scuma, Fahndungsdezernat. Schnauzer, quer über den Schädel gelegte Haarsträhnen, um die kahlen Stellen zu verbergen, randlose Brille, dahinter distanzierte Augen. An den Blicken der Kollegen konnte sie zuverlässig ablesen, wer über sie Bescheid wusste und gegen sie war. Scuma gehörte dazu.
Was nicht bedeuten musste, dass er ein schlechter Bulle war.
Sie sah Bermann an. »Und waren wir uns nicht einig, dass Holzner nicht in Frage kommt? Dass das Täterprofil nicht auf ihn passt?«
Jemand stieß einen halblauten Seufzer aus. Bermann grunzte etwas Unverständliches. Doch Marianne Andrele nickte, und auch Reinhard Graeve signalisierte Zustimmung. »Ein Zigarettenstummel ist noch kein Beweis«, sagte er. »Machen wir es uns nicht zu einfach.«
»Ja«, sagte Louise.
Thomas Ilic wandte sich ihr zu. »Was ist eigentlich mit den Ettingers?«
»Übernehmen Sandy und ich«, grunzte Bruckner.
»Wolltest du nicht …«, begann Thomas Ilic.
Sie unterbrach ihn. »Ich war gestern bei ihnen.«
»Mensch, wer sind jetzt die Ettingers?«, fragte Scuma leise. Er schob sich die Brille mit dem Zeigefinger an die Nasenwurzel, zog dabei die Mundwinkel nach unten, als bereitete ihm die Bewegung Verdruss.
Die Besitzerinnen des Feldes und der Scheune, erklärte Louise. Zwei nette alte Damen. Ein wenig verschroben. Tee aus Jugendstiltässchen und so. Wussten nichts. Wollten nichts wissen. Lebten in der Vergangenheit. Bewegten sich so gut wie nie außerhalb ihrer Mauern.
»Also vergessen wir die Ettingers?«, fragte Bermann.
Sie nickte.
Es war leichter gewesen, als sie gedacht hatte.
Kurz darauf entschuldigte sie sich und
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