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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Bermann.
    Durchsuchungsbeschluss und Haftbefehl. Diesmal würde Andrele keine Schwierigkeiten machen wie bei Holzner. Diesmal hatten sie den Richtigen.
    »Seit wann weißt du es?«, fragte Löbinger.
    »Seit ein paar Stunden. Seit Nadine seine Stimme beschrieben hat.«
    Er nickte nachdenklich. So gelassen und überlegen er sonst tat, das mit Meirich nahm er persönlich, und es war ihm anzusehen. Ein Anflug von Zweifel, Unverständnis, Enttäuschung hatte sich in seine Miene geschlichen. Ein Mann aus seinem Dezernat ein Menschenräuber und Vergewaltiger.
    »Und die Geschichte mit seiner Homosexualität?«
    Löbinger zuckte die Achseln. »Hab davon gehört. Vielleicht nur Gerede. Vielleicht fickt er zwischen jungen Mösen auch gern mal junge Ärsche.«
    Sie ging nicht darauf ein. Löbingers Provokationen. Sie hätte darauf gewettet, dass er nur mit ihr so sprach und nur, wenn niemand bei ihnen war. Die Sprache, die zu seinen Blicken passte.
    »Wir sollten uns sein Büro ansehen«, sagte sie.
    »Ein paar Kollegen sind schon unten.«
    In diesem Moment vibrierte das Telefon in ihrer Hand.
    Ben Liebermann. Er ist es. Gratulire.
    »Nadine hat ihn identifiziert.«
    Löbinger nickte wieder.
    Sie wandte sich ab, ließ ihn mit den Zweifeln, dem Unverständnis, der Enttäuschung allein. Während sie den Flur hinunterging, spürte sie seine Augen im Nacken, auf dem Hintern, das ging dann doch.

    »Das kannst du mir nicht antun«, sagte Thomas Ilic. Auch in seiner Miene lagen Unverständnis und Enttäuschung.
    »Du weißt, dass es nicht geht, Illi. Du bist nicht fit.«
    »Fit vielleicht nicht, aber es geht mir doch gut. Es geht mir wieder gut , Louise.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht, dass du mitkommst.«
    »Das ist nicht deine Entscheidung.«
    »Ich weiß.«
    Sie standen in ihrem gemeinsamen Büro, warteten darauf, dass die Espressomaschine betriebsbereit war. Thomas Ilic’ Blick wanderte über die gegenüberliegende Wand, blieb an dem Poster mit den lachenden asiatischen Kindern in den Mönchskutten hängen. Damals war er nicht im Ermittlungsteam gewesen, in der Soko »Liebau«. Ein paar Monate später hatten sie zum ersten Mal eng zusammengearbeitet, in der Soko »Waffen«. Der explodierte Heuschober bei Kirchzarten, das Waffenlager, der Fall Marcel. Sie sah Thomas Ilic vor sich, als alles begonnen hatte. Rauchend hatte er vor der PD gestanden, Jeans, blaues Hemd, Sakko über der Schulter, raspelkurzes Haar, das blasse Gesicht ausdruckslos. Ein unscheinbarer, stiller Mann im Schatten. Dann kam Heuweiler – auf einer Lichtung im Wald wurde zwei Meter neben ihm ein MEK-Mann ermordet. Die Fahrt zum Rappeneck, der Aufstieg, die tote pakistanische Terroristin. Thomas Ilic brach zusammen, wurde krankgeschrieben. Über ein Jahr später half er ihr aus dem Krankenstand bei ihrer Reise ins Land zwischen Save und Drau, besorgte Ben Liebermann als Übersetzer, Komplizen, Waffenbeschaffer.
    Thomas Ilic, der Lieblingskollege.
    Sie fühlte sich scheußlich, aber sie hatte sich entschieden. Nicht noch einmal einen Fehler wie am Rappeneck begehen, wer wusste denn mit Sicherheit, wie Hans Meirich reagieren, ob nicht der dritte Täter unvermutet auftauchen würde? Rolf Bermann hatte schon recht gehabt mit seiner Skepsis. Wie hält Illi sich? Keine blöde Frage, höchstens eine unangenehme, aber eben gerechtfertigt. Nur hatte sie das bis jetzt nicht einsehen wollen.
    »Es tut mir leid, Illi.«
    Sie musterte ihn. Fünf Stunden in einem Kämmerchen der Verwaltung mit Personalakten, während die Kollegen draußen Durchsuchungen vornahmen, Zeugen befragten, während in Colmar beinahe die Katastrophe geschehen wäre, vier Stunden davon ohne Nadines Beschreibung des Polizisten. Was anderes als ein Rückzug sollte das gewesen sein? Dass man in den Personalakten entscheidende Hinweise fand, war mehr als unwahrscheinlich.
    Das rote Licht der Espressomaschine sprang an.
    »Nach all den Jahren«, sagte Thomas Ilic.
    »Du hast dich verändert. Was in Heuweiler passiert ist, hat dich verändert.«
    Thomas Ilic stieß Luft durch die Nase aus. »Natürlich.«
    »Ist das noch dein Job, Illi? Willst du das alles noch?«
    Er antwortete nicht.
    Sie nahm zwei Espressotassen, füllte sie, ein Löffel Zucker in jede. »Hier.«
    Thomas Ilic wandte sich um, nahm eine Tasse, ohne Louise anzusehen. Schweigend rührten sie um, tranken, während der Espressogeruch immer intensiver wurde und draußen wieder Schritte, Stimmen, Rufe erklangen, vermieden den

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