Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
Waschbecken und Badewanne gelblich und von Kalkablagerungen überzogen. Auf dem Fußboden im einzigen Zimmer Kleidung, Schuhe, Zeitungen, ein paar Bücher, Schachteln, weitere Pizzakartons, DVDs, CDs, am Fenster eine vertrocknete Pflanze. Fernseher, DVD-Spieler, HiFi-Komponenten standen ohne Ordnung auf dem Boden, Kabelsalat dazwischen. Außer dem Bett gab es keine weiteren Möbelstücke. Ein einziges Durcheinander, und das offenbar nicht erst seit Sonntagmorgen. Meirich schien seit Jahren so zu leben.
    Mitten in dem Durcheinander stand Anselm Löbinger, die Brauen gesenkt, die Hände auf dem Rücken verschränkt, als fürchtete er, aus Versehen etwas zu berühren und sich schmutzig zu machen. Mit Erstaunen und Abscheu schien er zu registrieren, wie Meirich lebte, einer seiner altgedienten Ermittler, den er seit Jahren kannte und an diesem Abend erst kennenlernte.
    »Warum Gott sei Dank, Hans?«, fragte Louise. Sie war vor Meirich getreten, schaute auf ihn hinunter.
    »Ich dachte …« Meirich brach ab. Tränen liefen über seine Wangen, verschwanden im Bart, vermischten sich mit dem Blut.
    »Kennst du seinen Namen?«
    »Nur den Vornamen. Frank.«
    »Du glaubst, dass er herkommt? Zu dir?«
    Meirich nickte.
    »Aber weshalb? Er würde sich doch nur in Gefahr bringen.«
    Meirich zuckte die Achseln. »Er ist unberechenbar.«
    »Du denkst, er will dich töten?«
    Wieder ein Nicken.
    »Die Geister, die ich rief«, sagte Löbinger.
    Bermann kam ins Zimmer, eine Liste in der Hand. »Frank Nicolai?«
    Wieder ein Achselzucken.
    »Einer von den vier, die wir noch nicht gecheckt haben. Frank Nicolai, arbeitet für eine Unternehmensberatung, Mitte vierzig, verheiratet, keine Kinder.«
    Bermann verließ das Zimmer, das Funktelefon in der Hand. Sie hörte ihn in der Küche sprechen. Frank Nicolai. Wartet, bis ich da bin. Er kam zurück. »Ich fahre hin. Hast du eine Telefonnummer?«
    Meirich deutete mit dem Kopf auf ein Handy, das vor dem Sofa auf dem Boden lag. Bermann hob es auf.
    Niemand sagte etwas, bis er die Wohnung verlassen hatte.
    »Inwiefern unberechenbar?«, fragte Louise.
    »Weil er den Jungen getötet hat und später Haberle.«
    »Warst du dabei?«
    »Bei dem Jungen nicht, aber bei Haberle.«

    Der Jeep hatte den Ausschlag gegeben.
    Nachdem Meirich Haberle gesagt hatte, dass der blaue Jeep in Grezhausen gesehen worden war, hatte Haberle am Telefon panisch reagiert. Sie waren gegen Mitternacht zu ihm nach Horben gefahren, hatten ihn angerufen, ins Katzental bestellt. Sie hatten auf ihn eingeredet. Ein blauer Jeep, es gibt viele blaue Jeeps, reg dich nicht auf. Sie hatten einen Mann in der Soko, der würde den Verdacht schon in eine andere Richtung lenken.
    Doch Haberle war nicht zu beruhigen gewesen. Alles vorbei, warum haben wir das nur getan, was wird denn aus meinem Kind, wenn ich ins Gefängnis muss? Wir müssen uns stellen, bevor alles noch schlimmer wird, jetzt ist es doch noch nicht so schlimm, ich hab keinen Mord begangen und du auch nicht, Hans, und das Mädchen lebt, das wird schon wieder.
    So?, hatte Frank gesagt, und bevor er, Meirich, hatte eingreifen können, hielt er ein Messer in der Hand und stach auf Haberle ein, dreimal, viermal, ein Dutzend Mal, und sagte dabei: Das wird schon wieder, ja? Das wird schon wieder? Ich glaub ja nicht, dass das wieder wird, du Sau, nicht für dich.
    Das bluttriefende Messer in der Hand, wandte er sich Meirich zu. Denkst du das auch, das wird schon wieder?
    Nein, sagte Meirich.
    Nein? Und du denkst das wirklich nicht?
    Nein.
    Du denkst: Mitgefangen, mitgehangen? Keiner verrät keinen, weil alle drinhängen? Was wir zusammen begonnen haben, beenden wir auch zusammen? Denkst du das?
    Ja, sagte Meirich.
    Zusammen hatten sie die Leiche vom Straßenrand in den Wald geschleppt. Zusammen hatten sie notdürftig die Spuren verwischt. Zusammen hatten sie überlegt, wie es weitergehen würde.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum du denkst, dass er dich jetzt töten will«, sagte Louise.
    »Weil er glaubt, dass ich ihn verraten hab. Dass Colmar eine Falle war.«
    »Hat er das gesagt?«
    »Ja.«
    Löbinger trat einen Schritt heran. »Er hat angerufen?«
    »Vor einer Stunde.«
    »Von wo?«
    »Von unterwegs, aus einer Telefonzelle, glaube ich.«
    »Unterwegs nach Freiburg?«
    »Ich nehm es an.«
    »Aus Frankreich?«
    »Aus Deutschland.«
    »Und was hat er gesagt?«, fragte Louise.
    »›Wolltest mich in Colmar loswerden, was, Hans? Du denkst ja doch, das wird schon wieder‹«,

Weitere Kostenlose Bücher