Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
wiegte den Kopf hin und her. »Also, ich weiß nicht.«
»Meirich soll doch schwul sein«, sagte Alfons Hoffmann.
Sie nickte. Das war das Einzige, das nicht passte. Vielleicht auch das eine Fassade?
Sie würden sich Gewissheit verschaffen.
Alfons Hoffmann scannte das Foto Meirichs aus der Personalakte ein, übertrug die Datei per USB-Kabel auf ihr Handy. Sie wählte Ben Liebermanns Nummer, sandte ihm das Foto. Sie wusste, dass es ermittlungstechnisch ein Fehler war, Nadine nur das Foto Meirichs zu zeigen. Sie hätten ihr Bilder von sieben, acht unterschiedlichen Männern vorlegen müssen. Doch jetzt ging es nicht um eine vor Gericht verwertbare Identifizierung. Sie wollte lediglich sichergehen. Meirich würde, davon war sie überzeugt, ein Geständnis ablegen.
Ankegommen , simste Ben Liebermann.
Sie lächelte. Ben Liebermann und Schreibprobleme? Oder nur Absinthprobleme?
Dann begann das Warten.
Sie blätterte in Meirichs Akte, sah sich den Personalbogen an.
Meirich war früher lange beim LKA in Stuttgart gewesen, dann zur Kripo Ulm gewechselt, schließlich, vor zwölf Jahren, nach Freiburg. Viel Lob in Bezug auf seine analytischen Fähigkeiten, ein ausgesprochen kollegialer Mitarbeiter, doch immer wieder auch Hinweise auf »zögerliches Verhalten«, »mangelnde Risikofreude«. Einer, der sich gern im Team »versteckt«, dort aber »wertvolle Arbeit leistet«. Gegen Ende der Stuttgarter Jahre »Alkoholprobleme«, die er jedoch »offenbar in den Griff bekommen« hatte. Keine Kinder, nie verheiratet, lebte seit zwölf Jahren in Freiburg-Herdern.
Draußen im Flur, in dem es eben noch ruhig gewesen war, brach Hektik aus. Stimmen erklangen, Schritte waren zu hören, Türen wurden aufgestoßen, zugeworfen. Geräusche, die sie seit jeher liebte. Die Dinge waren in Bewegung. Ein Verbrechen vor der Aufklärung. Ein Fall vor dem Abschluss.
Eine raue Stimme erhob sich über die anderen: »Keiner geht heim, klar?« Rolf Bermann, der mit den Kollegen von der Vernehmung Michael Engeles und jener Männer zurückgekommen war, die auf Engeles Gästeliste gestanden hatten.
»Rolf«, sagte Thomas Ilic, und es klang fast ein wenig erleichtert. Der Dezernatsleiter, der ihnen die Entscheidung abnehmen würde.
Sie ging zur Tür.
Bermann stand im Flur, bei ihm Anselm Löbinger, dessen Miene Bände sprach. Hans Meirichs Name auf der Gästeliste, und Löbinger wusste Bescheid.
»Rolf?«
Bermann wandte sich ihr zu. »Wollte dich gerade anrufen.«
Sie ging zu ihnen.
»Lass hören«, sagte er grimmig. »Nur so, zum Spaß.«
Sie sagte es ihm.
»Ja.« Zorn lag in seinen Augen. »Ja.«
Löbinger, der kaum größer und etwa so alt war wie sie, sah wie immer mit der größten Selbstverständlichkeit, als wäre dies der gottgewiesene Weg aller Blicke, erst auf ihre Brüste, bevor er ihr in die Augen schaute. »Wo ist er?«, fragte er ruhig.
»Scuma sagt, er hat ihn beim Arzt abgesetzt. Das muss so gegen Viertel nach sechs gewesen sein.«
»Das Schwein will abhauen«, sagte Bermann.
Nein, dachte sie. Der nicht. Der weiß, dass es vorbei ist. »Habt ihr den Namen des anderen?«
»Noch nicht.« Sie hatten fünfzehn weitere Gäste inklusive ihrer Alibis überprüft, telefonisch oder persönlich, berichtete Bermann, zehn fehlten noch. Vier davon konnten sie nach Auskunft Michael Engeles ausschließen, weil sie zu jung waren, wenn man Nadines Beschreibung zugrunde legte. Einer hatte Dreadlocks, einer saß im Rollstuhl, blieben vier. Vier Namen, vier Adressen – zwei aus Freiburg, einer aus Kaiserslautern, einer aus Rostock. Sie würden Teams bilden, die sich darum kümmerten. Er selbst und Anselm Löbinger würden sich auf den Weg zu Hans Meirich machen.
Natürlich, Meirich war Chefsache.
»Willst du mit?«, fragte Bermann.
»Ja.«
»Rolf?« Jörg Seibold war auf den Flur getreten. »Wir sind so weit.« Sein Blick begegnete ihrem. KHK Jörg Seibold, Mitglied der Soko, Vollbart, Typ Großvater. Schöne Stimme, wenn er laut sprach. Er war in der engeren Auswahl gewesen.
Er lächelte. Sie erwiderte das Lächeln.
»In zehn Minuten hier.« Bermann ging davon.
Am anderen Ende des Flurs schwangen die Flügeltüren auf, Marianne Andrele hastete herein, die Staatsanwältin. Sie trug Jeans und Sweatshirt, die graublonden Haare zitterten, von zu viel Haarfestiger aufgetürmt, bei jedem Schritt. Offenbar war sie bereits zu Hause gewesen und wieder hergebeten worden.
Sie winkte flüchtig, verschwand im selben Büro wie
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