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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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sie ruhig. Er gab ihr ein Gefühl von Stärke. Sie war nicht paralysiert vor Angst. Sie hatte eine Wahl, und sie hatte sich entschieden.
    »Macht dir die Dunkelheit Angst, Louise?«
    »Nein.«
    »Denkst du, du kannst mir in der Dunkelheit entkommen? Denkst du das, ja?«
    Er war wieder stehengeblieben, irgendwo hinter ihr. Sie widerstand dem Impuls, sich umzudrehen. Sie wollte ihn nicht im Rücken haben, aber wichtiger war, dass sie die Orientierung nicht verlor.
    Rechts die Wand, vor ihr der Wagen, links das Tor.
    »Dann schalten Sie die Lampe wieder an.«
    »Nein, nein, noch nicht. Die Dunkelheit hilft, sie senkt die Hemmschwelle, weißt du, und sie macht wachsamer. Man spürt sich intensiver in der Dunkelheit. Und es ist fairer dir gegenüber, findest du nicht auch?«
    Sie sagte nichts.
    Im selben Moment ging das Licht wieder an. Nicolai lachte. »Kleiner Scherz, Louise. Damit du dich nicht zu sicher fühlst.«
    »Sie machen mir keine Angst.«
    »Das ist gut. Sehr gut.«
    Das Licht ging wieder aus.
    Ein paar Sekunden lang herrschte Stille.
    Dann hörte sie seinen Atem unmittelbar hinter sich. Blitzschnell schlossen sich seine Arme um sie, ein Arm an ihrem Hals drückte ihren Kopf nach hinten, sodass ihr die Luft wegblieb, während die andere Hand über ihren Körper fuhr, nach ihren Brüsten griff, an ihrer Bluse zerrte. Sie langte mit beiden Händen nach hinten, zog mit aller Kraft an seinen Haaren. Nicolai schrie auf, ein begeisterter Laut zwischen Lachen und Wut.
    So plötzlich, wie er gekommen war, ließ er von ihr ab und entwand sich ihrem Griff. Sie hörte ihn keuchen, zwei, drei Meter von ihr entfernt.
    »Ein vielversprechender Anfang, Louise.«
    Lautlos ging sie in die Knie.
    »Louise?«
    »Ja.«
    »Möchtest du, dass ich dich ausziehe, oder tust du das selbst? Möchtest du vielleicht schon damit anfangen?«
    »Träumen Sie weiter.«
    »Gut. Soll ich dir davon erzählen? Von meinen Träumen?« Erneut waren seine Schritte zu hören. Langsam bewegten sie sich nach rechts, in Richtung der Wand, die dem Tor gegenüberlag.
    »Kein Interesse.«
    »So gefällst du mir, Louise. Widerspenstig bis zum Schluss.«
    Sie lauschte noch ein paar Sekunden auf seine Schritte, dann sprang sie hoch und rannte in Richtung Tor. Sie hörte Nicolais Lachen, seine schnellen, harten Schritte, seine Stimme, glaubst du wirklich, du entkommst mir, Louise, glaubst du das wirklich, du Sau? Die Taschenlampe ging an, ein Kreis aus Licht vor ihr, der hektisch über die Holzwand irrte, auf und ab im Rhythmus seiner Schritte, dann war der Kreis aus Licht wieder fort, aber die kurzen Momente hatten genügt, um ihr die genaue Richtung zu weisen. Die dunkle Front raste auf sie zu, sie hob die Arme vor den Kopf, drehte die Schulter vor, prallte gegen das Tor, das quietschend aufflog. Mit beiden Händen griff sie nach dem Flügel, schwang ihn zurück, hörte, wie er gegen Nicolai krachte, hörte einen Schrei, in dem Wut und Schmerz und Überraschung lagen, kein Lachen mehr. Sie spürte den Impuls weiterzulaufen, immer weiter, im frischen Regen zu laufen, der alles fortwaschen würde, durch den Wald zum Rhein, der hier so still und friedlich war, am Wasser auf den Morgen, das Sonnenlicht zu warten … Aber sie wusste, dass Nicolai sie nach ein paar Metern eingeholt hätte.
    Sie fand das Brett im Schlamm, als Nicolai das Tor aufstieß. Die Taschenlampe flammte wieder auf, und sie sah, während sie ausholte, nur gleißendes Licht, und das Licht kam ihr für einen Moment vor wie die Sonne.
    Dann fiel das Licht.

32
    Als sie ihm ihr Halstuch um die blutende Stirn band, erwachte er. Im trüben Licht der Innenbeleuchtung des Renaults sah sie, wie sich seine Pupillen aufhellten und weiteten. Von der Ohnmacht zum Bewusstsein. Von der Dunkelheit ans Licht. Kraftlos bewegte er die Hände, die sie mit der Handschließe ans Lenkrad gebunden hatte, und flüsterte: »Ich komme wieder, Louise.«
    »In fünfzehn Jahren.«
    »Fünfzehn Jahre vergehen schnell.«
    Sie hatte Zündung und Standlicht eingeschaltet. Die Scheinwerfer beleuchteten die Scheunenwand ungefähr dort, wo Nadine gelegen hatte. Wo Eddie gesessen hatte.
    Nicolai schloss die Augen, atmete tief ein. »So nah, Louise. Du bist mir so nah. Ich kann dich riechen. Ich kann dich schmecken. Hast du schon telefoniert?«
    »Ja.«
    Er öffnete die Augen. »Einen Moment lang habe ich wirklich geglaubt, du würdest mich verstehen. Du würdest mitmachen. Mal das Böse tun.«
    »So kann man sich täuschen.«
    Er

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