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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Scheunenwände sehen.
    Doch wer war in Grezhausen nach Mitternacht draußen unterwegs?
    Niemand würde das Licht sehen. Niemand würde sie hören, wenn sie um Hilfe riefe.
    Blieb die Hoffnung, dass jemand den toten Wachmann fand. Ben Liebermann vielleicht, falls er doch noch zum Dienst kam. Er würde die ´Cevapc?ic´i sehen und ahnen, wo Nicolai sie hingebracht hatte. Wohin sonst als in die Scheune? Nicolai war auf der Flucht, es gab keinen anderen Ort.
    »Warum sind Sie nach Colmar gefahren? Warum wollten Sie Nadine töten? Es war doch so langweilig mit ihr.«
    Als hätte Nicolai ihre Gedanken erraten, schaltete er die Taschenlampe aus. Sie hörte seine Schritte, die jedoch nicht näher kamen.
    »Das habe ich mich auch gefragt, Louise.«
    Er stand jetzt seitlich von ihr, vor dem Scheunentor, das in der Dunkelheit nicht mehr zu sehen war. Sie überlegte, in welche Richtung es aufging. Nach außen, und es war von außen zu verriegeln. Dennis hatte gesagt, dass Eddie von außen ein Brett durch die Handgriffe geschoben habe. Hatte Nicolai es von innen irgendwie verriegelt? Oder die Flügel nur zugezogen?
    Wieder hörte sie Schritte, die etwa gleich weit entfernt blieben. Er ging im Kreis um sie herum.
    »Vielleicht weil sie sich endlich gewehrt hat. Sie hat Widerstand geleistet, Louise, sie ist geflohen, und dann waren da die alten Weiber, eine Wand aus Widerstand, wenn auch eine recht osteoporöse, aber das hat mich angeregt. Zugegeben, Louise, wie bei einem Kind, das sich mit seinem Spielzeug langweilt, aber wenn du ihm das Spielzeug wegnimmst, will es unbedingt damit spielen.« Er war stehengeblieben, auf der anderen Seite, nahe der Wand, an der Nadine gelegen hatte. »Ich wollte spielen, ich wollte gewinnen. Es war ein Rausch, Louise, aus Lust, Angst, Wut, Geschwindigkeit, ein Adrenalinrausch. Ein Wettrennen.«
    »Um Nadine.«
    »Ja.«
    Nicolai ging weiter. Sie fragte sich, wie es möglich war, dass er sie sah. Ob er sie überhaupt sah.
    Vielleicht hatte er wieder begonnen zu spielen.
    »Dazu kam natürlich, dass sie die Einzige war, die uns hätte identifizieren können. Du verstehst, dass ich das ganz gern verhindert hätte, vor allem weil es mit Spaß verbunden war. Aber wichtiger war das Gefühl, dass da endlich Widerstand war, und das hat mich ungeheuer angeregt. Widerstand brechen, Louise … Vielleicht hätte man es in Colmar ja noch mal versuchen können mit ihr. Die Alten töten und es dann noch mal versuchen mit der Kleinen.«
    »Gewalt, Lust, Liebe statt Langeweile.«
    »Ja«, sagte Nicolai.
    Er ging wieder. Langsam umkreisten sie die Schritte, der Abstand blieb etwa gleich, vier, fünf Meter vielleicht, als würde er sich in der Dunkelheit mit größter Sicherheit bewegen. Einmal glaubte sie, eine Bewegung zu erkennen, aber sie konnte sich täuschen. Sie rührte sich nicht. Vor ihr der Renault, links das Tor, rechts die Rückwand. Bloß nicht die Orientierung verlieren.
    »Dann immer mehr Widerstand, du warst da, die französischen Polizisten – ein Traum. Ich habe zu leben begonnen, Louise, immer intensiver seit Samstagnacht. Man kann sich nicht aussuchen, was in einem drin ist, weißt du? Es ist einfach da. Man kann es verdrängen oder unterdrücken, dann wird man so wie der Dietmar oder der Hans oder all die anderen Langweiler, die halbtot durch die Stadt laufen. Oder man erkennt es und lässt es raus, und dann beginnt man zu leben … Was wohl in dir ist, Louise?«
    Sie zuckte die Achseln. »Sagen Sie’s mir.«
    »Vielleicht dasselbe wie in Hans?« Er lachte leise. »Mal die Seite wechseln? Mal das Verbotene tun, das sonst immer nur die anderen tun dürfen? Das Böse?«
    »Und das wäre?«
    »Mich töten, Louise.«
    Sie schnaubte durch die Nase. »Aber sehr langsam.«
    Nicolai lachte. »Du wirst nicht vor Angst paralysiert sein, Louise, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Du wirst dich wehren.«
    »Ja.«
    Sie spürte, dass sich in ihr etwas zu verändern begann. Die Angst ließ nach. Vielleicht weil sie jetzt wusste, dass da tatsächlich etwas in ihr war: der Wille zu kämpfen. Sie konnte gar nicht anders, sie musste kämpfen, obwohl sie wusste, dass alles andere vermutlich vernünftiger gewesen wäre. Über sich ergehen lassen, was Nicolai tun würde, in der Hoffnung, dass er es langweilig finden und von ihr ablassen würde. Unaufmerksam werden würde wie in dem Keller in Oberrimsingen.
    Der Gedanke, dass sie nicht anders konnte, als sich mit allen Kräften zu wehren und auf ihre Chance zu warten, machte

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