Jaegerin der Daemmerung
atemberaubend. Ein Kuss, der ihr sämtliche Kraft raubte, sodass sie an ihm hing, geschüttelt von Emotionen. Als er den Kopf hob, lag tiefe Liebe in seinen Augen. Sie sah sein Gefühl, das er nicht vor ihr verstecken wollte, was dazu führte, dass sie sich ihrer eigenen Ängste schämte.
Wir werden ein Paar abgeben, wie die Welt es noch nie gesehen hat, wiederholte sie.
12
N ach all den Wochen der Heilung verließen Razvan und Ivory die Umarmung der Erde, brachen gemeinsam durch das Erdreich und kamen an die Oberfläche. Das Gefühl, nach so langer Zeit frische Luft in der Lunge zu spüren, war im ersten Moment ungewohnt. Am sternenklaren Nachthimmel hing groß der Mond und warf sein silbriges Licht auf die schneebedeckte Landschaft. Wachsam wie immer, überprüfte Ivory mit all ihren Sinnen die Umgebung, um mögliche Gefahren zu orten.
Wie so oft überließ Razvan Ivory die Führung und nutzte seine karpatianischen Fähigkeiten. Er reckte sich, als er sich um die eigene Achse drehte, und suchte dabei nach Informationen. Er spürte deutlich, dass er eine Veränderung durchgemacht hatte. Er dachte sogar anders. Vorher konnte er mit der Flut von Informationen, die auf ihn einstürmten, nicht viel anfangen. Dieses Mal war alles viel geordneter und intensiver. So als spräche die Erde mit ihm, als flüsterte sie ihm Geheimnisse ins Ohr und weise ihn auf noch so unbedeutsam erscheinende Details hin. Sie teilte etwas Namenloses mit ihm, befahl den Bäumen, den Pflanzen und sogar dem Erdreich, ihn mit Wissen zu versorgen. Irgendwie war er verändert worden, dort unter der Erde.
Razvan drehte den Kopf und betrachtete seine Seelengefährtin, die ihre übliche Kleidung trug: die doppelreihige Weste und Hosen, die ihre langen Beine betonten. Wie immer, wenn sie auf die Jagd ging, hatte sie ihre Haarpracht zu einem langen Zopf geflochten. Razvan liebte ihre fließenden Bewegungen und ihre wundervollen Rundungen.
»Was ist?«, fragte Ivory mit einem breiten Lächeln. Ihre Augen strahlten vor Freude, verströmten tiefe Zufriedenheit - Zufriedenheit, die er in ihr Leben gebracht hatte.
»Du bist schön.« Razvan beugte den Kopf hinab und fuhr mit der Zunge vorsichtig über die Narben seines verheilten Arms, die denen von Ivory nicht unähnlich waren. »Wetten, dass du nach Salz und Sünde schmecken würdest, wenn ich jetzt dasselbe bei dir täte?« Die Mineralkonzentration in seiner Haut war stärker als normal, und er erkannte das aufwändige Rezept, mit dessen Hilfe sie beide geheilt worden waren. Er fühlte sich wie neugeboren.
»Ich würde mir gerne deine Narben ansehen.«
Ivorys fragender Blick glitt zu seinem Gesicht. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Ich weiß, dass Sergij dich verwundet hat, Ivory, und dass du dich nur um mich gekümmert hast, statt deine Verletzungen zu heilen. Ich muss sehen, ob bei dir alles in Ordnung ist.«
»Das waren doch nur Kratzer.«
Razvans Augenbrauen gingen in die Höhe. »Wenn ich mich recht entsinne, hat er dir einen Pfeil in die Brust gerammt, direkt oberhalb des Herzens.« Während er sprach, huschte ein schmerzhafter Ausdruck über sein Gesicht. »Und als du die Hand aus seiner Brust gezogen hast, hing sie quasi nur noch in Fetzen.« Razvan musste schlucken und legte die Stirn in Falten. »Als er den Pfeil aus dir herausgezogen hat, drehte er ihn dabei, um dir so viel Schaden wie möglich zuzufügen, und steckte ihn noch tiefer wieder hinein. Er ist extrem stark, und er durchlöcherte deinen Brustkorb. Ich habe genau gehört, wie dein Brustbein zersplittert ist.«
Stimmte das, was er sagte? Ivory konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Sie wusste nur noch, dass Razvan ihr trotz seines geschwächten Zustands zu Hilfe geeilt war und den Meistervampir von hinten gegen ihre Faust gestoßen hatte, damit sie sein geschwärztes Herz zu fassen bekam. Als Sergij das Haus zum Einsturz gebracht und aus den Trümmern Speere geformt hatte, die aus allen Richtungen auf sie zu flogen, hatte Razvan seine verbleibenden Kräfte zusammengenommen, um eine Barriere um sie herum zu errichten, und hatte die Holzstücke mit seinem eigenen Körper aufgefangen.
»Er hat dir das Handgelenk gebrochen.«
Wie konnte es sein, dass Razvan trotz seiner fast tödlichen Verletzungen das alles mitbekommen hatte? Ivory schüttelte ungläubig den Kopf. Wenn er sie so verführerisch ansah wie im Moment und sein Blick dabei bis in die hintersten Winkel ihrer Seele, ihrer Weiblichkeit vordrang, konnte
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