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Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker

Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker

Titel: Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelynn Drake
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der Situation. Er schlenderte vor mir den Korridor hinunter. Die Dielenbretter knarrten unter seinen Schritten, die Wände waren rissig und brüchig, und in der Luft lag der Geruch von verwesendem Getier. Auf der linken Seite des Korridors führte eine Treppe in den dunklen zweiten Stock.
    Unter der Treppe befand sich eine Tür, die Danaus nun öffnete. Als er das Licht einschaltete, sah ich eine einfache Holzstiege, über die man in den Keller gelangte. Das überraschte mich. Wegen des hohen Grundwasserspiegels hatten die meisten Häuser in Savannah gar keinen Keller. Bei mir zu Hause hatte ich zwar einen, doch den hatte ich unter großem Kostenaufwand nachträglich einbauen lassen, denn tagsüber war ich nur unter der Erde sicher.
    Eine nackte Glühbirne baumelte über der Treppe an der Decke, deren Lichtschein alle Mühe hatte, bis in die dunklen Ecken des Kellers vorzudringen. Ich folgte Danaus nach unten, und das Stakkato meiner Absätze hallte wie Pistolenschüsse durch das Haus. Keiner von uns bemühte sich, leise zu sein. Als ich in der feuchten, muffigen Luft den Geruch von Blut wahrnahm, blieb ich ruckartig auf dem Treppenabsatz stehen. Das war der erste Hinweis darauf, dass sich noch jemand im Haus aufhielt, doch spüren konnte ich ihn immer noch nicht. Ich ging ein paar Stufen weiter hinunter und sah mich um.
    Die Wände waren aus grauem Beton, der von Rissen durchzogen war, aus denen Wasser tropfte. Der Boden war ebenfalls aus Beton. Bis auf die Heizungsanlage in der gegenüberliegenden Ecke und den Rohren und Kabeln, die unter der Decke verliefen, war der Raum völlig leer.
    Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich die gebückte Gestalt erkannte. Vielleicht lag das daran, dass mein Bewusstsein sie gar nicht sehen und gar nicht wissen wollte, dass er tatsächlich noch lebte. Aber kaum hatte ich ihn erblickt, ergriff mich eine unbändige Wut, und alle Vernunft war dahin. Sämtliche Muskeln meines Körpers zogen sich unwillkürlich zusammen, als hätte mir jemand einen Schlag versetzt. Denn als ich Nerian anschaute, sah ich ihn nicht an Händen und Füßen mit Eisenketten gefesselt an der Wand lehnen, sondern ich sah ihn, wie er sich über mich beugte, in jener Nacht vor etwa fünfhundert Jahren, mit seinem blutigen Dolch in der Hand. Im Geist hörte ich sein Gelächter und meine Schreie.
    Und dann wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich schrie. Ich schrie wie am Spieß und hielt mir die Ohren zu, während ich die Erinnerungen zu verdrängen versuchte. Das hässliche Lachen erstarb erst, als meine strapazierten Stimmbänder endlich die Bilder besiegten. Ich blinzelte einige Male, während meine Schreie noch in meinem Kopf widerhallten. Danaus und der Naturi starrten mich an. Nerian hatte das gleiche entsetzliche Grinsen im Gesicht wie damals und weidete sich an meinem Schmerz.
    „Du erinnerst dich an mich!", rief er, warf den Kopf in den Nacken und fing an zu lachen, was auf bizarre Weise melodisch und irr zugleich klang. Ich erschauderte und biss die Zähne zusammen, als mein Gehirn abermals von Erinnerungen überflutet wurde.
    Ich bekam weiche Knie und befürchtete schon, jeden Moment umzukippen, doch dann verging das flaue Gefühl wieder.
    „Ich danke dir, Mensch!", rief Nerian Danaus zu. „Es ist mir ein Vergnügen, diesen Parasiten wiederzusehen. Obwohl es mich überrascht, dass sie es geschafft hat, so lang am Leben zu bleiben. Aber auch Kakerlaken sind für ihre Zähheit bekannt."
    „Wie ich sehe, hast du es geschafft, dich wieder zusammenzuflicken", sagte ich mit rauer, erstickter Stimme und ging die letzten Stufen in den Keller hinunter. Meine Unerschrockenheit war mir schlagartig abhanden gekommen. „Es war bestimmt nicht einfach, deine Eingeweide wieder in den Bauch zu stopfen."
    In Machu Picchu hatte Jabari mir das Geschenk gemacht, Nerian töten zu dürfen. Nach einem brutalen Kampf hatte ich ihn ausgeweidet, und er war zusammengerollt auf dem Boden liegen geblieben und hatte sich den aufgeschlitzten Bauch gehalten. Doch dann nahte der Sonnenaufgang und meine Kräfte hatten nachgelassen, und ich war gezwungen gewesen, irgendwo Schutz zu suchen, bevor die Sonne ganz über den Horizont kletterte. Hätte ich es auch nur im Entferntesten für möglich gehalten, dass Nerian überlebte, dann wäre ich geblieben und hätte ihn erledigt, und wenn ich selbst dabei draufgegangen wäre.
    „Nimm mir die Ketten ab, und ich zeige dir gern, wie schwer es war." Sein Ton war immer noch aufgeräumt und

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