Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Wahrheit erfahren." „Das hast du nicht zu entscheiden." Thorne schlug so fest mit der Faust auf den Tisch, dass sein Bierglas umkippte. „Wer denn?" „Kann ich dir nicht sagen. Es wird irgendwann kommen, aber noch ist es zu früh. Es geht nicht nur um uns Nachtwandler. Es gibt Dinge, denen sich zu stellen die Menschen noch nicht bereit sind."
„Ich glaube nicht, dass sie eine große Wahl haben. Abgesehen davon akzeptieren sie mich doch." „Sie denken, das ist nur Schau", erwiderte ich und schlug die Beine übereinander. Dabei versuchte ich zu vermeiden, Danaus vors Schienbein zu treten, aber unter dem Tisch gab es einfach zu viele lange Beine. „Nicht mehr lange. Es wird Zeit, dass wir uns zeigen! Lassen wir sie unsere Macht spüren. Ich bin es leid, mich zu verstecken."
„Aber so sind wir nun mal; so war es schon immer. Für die Menschen sind wir nur dunkle Schatten und Albträume, nichts weiter." Ich wiederholte die Worte, die ich Hunderte Male gehört hatte, und kam mir ziemlich alt dabei vor. Es war eine abgedroschene Phrase, mit der man sich an die alten Muster klammerte. Ich hatte die Sehnsucht, von der Thorne sprach, schon in den Augen vieler Jüngerer gesehen, wenn sie sich unter die Menschen mischten. Es wurden Filme über uns gemacht, in denen hier und da ein Fünkchen Wahrheit steckte. Die Menschen verschlangen Bücher über Nachtwandler und Magier, um dem Alltag zu entfliehen. Aber was geschah, wenn sie eines Morgens aufwachten und erkannten, dass die Wesen, die sie so faszinierend und insgeheim auch verlockend fanden, ganz real waren und gleich nebenan wohnten?
Betrachteten sie uns dann immer noch mit dem gleichen Interesse? Oder waren wir dann plötzlich Ungeziefer, das bekämpft werden musste wie Ratten oder Kakerlaken? „Ja, aber wie du schon sagtest: Es wird passieren." „Genug davon!", rief ich und kratzte mit den Fingernägeln über die Tischplatte. Als ich sah, wie schmutzig sie davon wurden, verzog ich angewidert das Gesicht. Während ich Thorne aus den Augenwinkeln taxierte, begann ich, mir die Nägel mit einem Streichholzbriefchen sauber zu machen, das auf dem Tisch gelegen hatte. „Das spielt jetzt alles keine Rolle.
Ich bin aus einem ganz anderen Grund gekommen. Was hat Tabor dir über die Naturi gesagt?" Thorne erstarrte. „Er hat nur selten von ihnen gesprochen und nur, wenn er schwermütig war", entgegnete er im Flüsterton. „Es war immer zur selben Jahreszeit. Um den Neumond in der Mitte des Sommers herum. Dann schloss er sich mehrere Nächte in seinen Privatgemächern ein."
Thornes Akzent war inzwischen wieder schwerer und älter geworden. „Was hat er dir erzählt?" „Nichts Vernünftiges. Nur, dass ich weglaufen soll, wenn mir jemals einer begegnet. Dass ich es nicht auf einen Kampf ankommen lassen, sondern einfach abhauen soll." Thorne sah mich mit großen Augen an. Ich konnte seine Angst gut verstehen. Tabor war nicht nur sein Herr und Schöpfer, sondern auch einer von den Alten und Mitglied des Konvents gewesen. Wenn ihm etwas derart zu schaffen machte, dann war klar, dass es wirklich schlimm sein musste.
„Vor mehr als fünf Jahrhunderten hat eine Triade die meisten Naturi von dieser Welt verbannt. Aber sie versuchen zurückzukehren, und wir brauchen deine Hilfe, um sie erneut zu vertreiben." „Meine Hilfe?" Thorne lachte unsicher. „Was kann ich denn schon tun?" „Tabor hat zu dieser Triade gehört. Er ist nicht mehr bei uns, aber er hat dich erschaffen. Wir denken, dass du als Blutsverwandter seinen Platz in der Triade einnehmen kannst." „Und was dann? Tabor war immerhin über dreitausend Jahre alt, als er mich erschaffen hat." Thorne sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren, was ich ihm nicht verübeln konnte. Ich hatte ja selbst Mühe, es zu glauben. Thorne war kein besonders starker Nachtwandler. Er hatte wahrscheinlich nur dank Tabors Schutz und aufgrund seiner Intelligenz so lange überlebt.
„Ich weiß es nicht. Es war nicht meine Idee. Jabari hat mich geschickt", gestand ich stirnrunzelnd. „Verdammt", murmelte er, sank gegen die Rückenlehne und stieß das umgekippte Bierglas mit dem Zeigefinger an, sodass es über den Tisch rollte. Seine Hoffnung, mir entkommen zu können, hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst. Vermutlich hatte er gedacht, er könne sich irgendwie aus der Sache herausreden, aber wenn ein Ältester mich geschickt hatte, gab es kein Entrinnen. Ich würde ihn notfalls bis an mein Lebensende verfolgen.
Und im Kampf
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