Jägerin der Nacht 03 - Dawnbreaker
erneute Kräftigung war auch nötig gewesen, damit ich gemeinsam mit Stefan den Makel vollenden konnte.
Ich trank so viel, wie ich mich traute. Sie musste den ganzen Tag über schwach bleiben, um die tiefe Hypnose nicht zu gefährden, in die ich sie versenken würde. Andererseits durfte ich sie nicht so sehr schwächen, dass sie in der kommenden Nacht nicht mehr handlungsfähig war.
Schlaf tief und fest, Shelly. Ich befehle dir, den Tag über tief und fest zu schlafen, wiederholte ich immer wieder in ihrem Kopf und pflanzte ihr diesen Gedanken so tief in den Verstand, dass er alles andere verdrängte. Du wirst den ganzen Tag verschlafen, bis sich die Sonne wieder hinter den Horizont senkt. Du wirst so lange schlafen, bis ich dich wecke. Du wirst dich nicht bewegen. Du wirst dich nicht rühren. Du wirst nicht träumen. Du wirst schlafen, bis ich dich wecke.
Ich versiegelte rasch die Wunde in ihrem Nacken, nahm sie dann in die Arme und trug sie an die Seite von Cynnia und Danaus. Um die drei standen Kartons mit allerlei Hotelvorräten, sodass sie wie durch eine Festung aus Pappe vor Blicken geschützt waren. Mehr konnte ich im Augenblick nicht tun. Bevor die Nacht endgültig vorüber war, würde ich mich in dieser winzigen Kellernische zu ihnen legen und mich mit meinem eigenen Körper schützend zwischen sie und die Naturi schieben.
Durch Shellys Blut ein wenig gekräftigt, jagte ich die Stufen hinauf, wo ich auf Stefan stieß, der mich auf der Eingangstreppe zur Herberge erwartete. Die blaue Flammenwand begann hier und da bereits zu flackern und zu verblassen. Die Nacht war so gut wie vorüber, und allmählich entglitt mir die Gewalt über die Blut-und Erdmagie. Wir mussten den Makel auf der Stelle abschließen, wenn es uns überhaupt noch gelingen sollte.
„Hast du deine Kleinen ins Bett gebracht?", fragte Stefan spöttisch. „Meine Truppe ist in Sicherheit. Haben George und Bertha alle in die Herberge gebracht?" „Sie sind alle an ihrem Platz." „Wie steht es mit den Menschen?", fragte ich erschrocken, als mir plötzlich die menschlichen Wächter wieder einfielen, die am Morgen bei der Herberge eintreffen sollten. Wenn sie die Herberge betreten würden, würden sie alle sterben, genau wie die Naturi. „Ich habe ein paar von ihnen auf telepathischem Weg erreicht", entgegnete Stefan gleichgültig und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sie haben Befehl, bis nach Sonnenuntergang in Aguas Calientes zu bleiben. Diese Order sollen sie an die übrigen Menschen weitergeben."
Ich war überrascht, dass er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, aber es gab sicher ein oder zwei Menschen in der Gruppe, an denen ihm etwas lag. Nicht umsonst besagte ein alter Spruch, dass gutes Personal heutzutage schwer zu finden war. Und bis man erst mal einen Menschen so weit hatte, dass man es ihm anvertrauen konnte, sich tagsüber anständig um einen zu kümmern, war mehr als nur eine langjährige Ausbildung nötig.
„Dann mal los", sagte ich und hielt ihm die Hand hin. Stefan schenkte mir ein Lächeln, als er meine Hand nahm und mich ins offene Gelände des Gartens genau vor der Herberge führte. „Aus deinem Mund klingt das so düster. Hast du wirklich Angst vor dem Makel auf deiner Seele?" „Wir haben auch nicht geglaubt, dass leibhaftige Naturi noch einmal auf Erden wandeln würden", sagte ich, als wir stehen blieben. „Hast du dich noch nie gefragt, ob es nicht auch noch Bori geben könnte? Ich möchte wirklich nicht zum Köder für ein solches Wesen werden." Stefan drehte sich um, sah mich an und nahm auch meine andere Hand. „Naja, ich würde mal sagen, dass du bereits mehr als genug Aufmerksamkeit erregt hast."
Dem war nichts mehr hinzuzufügen. Er hatte vollkommen recht. Ich war schon jetzt ein Anziehungspunkt für jede dunkle und/oder bemitleidenswerte Kreatur, die aus der Nacht hervor-gekrochen kam. Noch mehr Aufmerksamkeit musste ich mir wahrhaftig nicht erkämpfen, schon gar nicht die der Bori.
Die Bori waren die Wächter der Seele gewesen. Diese Kreaturen schienen mittlerweile eher Legenden als Wirklichkeit zu sein. Sie bezogen ihre Kraft aus allem, was eine Seele besaß, und in Anbetracht der Masse von Menschen, die inzwischen die Erde bevölkerte, wäre jeder überlebende Bori heutzutage unsagbar mächtig. Während den Lykanthropen zumindest der Legende nach die zweifelhafte Ehre zukam, Abkömmlinge der Naturi zu sein, wusste jeder Nachtwandler, der nicht völlig verblendet war, mit absoluter
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