Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
mit jemandem angefangen, der neben ihr an der Bar stand und auch auf einen Drink gewartet hat. Abigail war eben ein ungezwungener Charakter.«
Ich schob mir mit der Rechten das Haar aus dem Gesicht und sah zu Mira hinüber, die anscheinend in Gedanken versunken auf den Tisch starrte. »Klingt ganz so, als wäre sie nicht umgebracht worden, weil sie mit einem ganz bestimmten Nachtwandler zu tun hatte, sondern weil sie überhaupt ein Teil unserer Welt war«, sagte ich. »Nicht genug, dass sie die Tochter eines Senators war, die unter zwielichtigen Umständen ums Leben kam. Das allein hätte sich noch vertuschen lassen.«
»Aber nur ein paar Ermittlungen, was ihren Lebenswandel anbetrifft, ihre Freunde und die Gesellschaft, in der sie sich herumgetrieben hat, und schon steht unsere ganze Welt am Pranger«, spann Mira meine Überlegung fort. Sie sah mich an und verzog den Mund. »Bestenfalls rückt das Dark Room in den Fokus der Ermittlungen. Und diese Art von Aufmerksamkeit können wir Nachtwandler gar nicht gebrauchen.«
Gregor schnellte hoch und legte die Hände auf die Knie. »Du willst doch nicht etwa das Dark Room schließen, oder?«
Mira schüttelte den Kopf und senkte den Blick wieder auf den Tisch. »Bisher ist ja noch alles glattgegangen. Die Medien haben sich von ihrer blütenreinen Weste als Einserstudentin und Museumskuratorin für die Pfadfinderinnen täuschen lassen. Aber wenn wir diesen Fall nicht schleunigst lösen, schnüffeln sie vielleicht weiter herum, und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Leute sich fragen, wo sie sich eigentlich nachts herumgetrieben hat.«
»Aber sie hat eine Menge Bars in der ganzen Stadt besucht«, warf Gregor ein. »Das Dark Room ist doch nur eine von vielen.«
»Aber auch der einzige Club in der Stadt, in dem das Publikum ausschließlich aus handverlesenen Mitgliedern besteht. Das wird schon für Stirnrunzeln sorgen – und den Club ins Rampenlicht zerren«, sagte ich, was mir böse Blicke von Gregor eintrug. Auf der Jagd nach Mira hatte ich das Dark Room bald zu meiden gelernt, da sich dort so viele Nachtwandler herumtrieben, dass ich ohnehin keine Chance gehabt hätte. Zwar war ich stets in Versuchung gewesen, mich in der Nähe auf die Lauer zu legen und zu warten, bis jemand auftauchte, auf den die Beschreibung von Mira passte, aber das Risiko war einfach zu groß gewesen.
»Ich finde, wir sollten im Moment einfach die Füße stillhalten«, sagte Mira und seufzte schwer. »Da dir das Dark Room so sehr am Herzen liegt, lege ich die Verantwortung für die Medien in deine Hände. Pass auf, dass sie sich nicht zu sehr für deinen Laden interessieren.«
Bei dieser Ankündigung fuhr Gregor überrascht auf. »Wirklich? Fällt so was nicht eher in Knox’ Zuständigkeitsbereich?«
»Der hat so schon alle Hände voll zu tun«, fauchte Mira. »Vielleicht kannst du dich auf die Art endlich mal nützlich machen, anstatt mir bloß auf die Nerven zu gehen.«
»Wie du wünschst«, sagte er und nickte. Dann sah der Nachtwandler zu mir herüber und winkte müde. »Achtung.«
Der Schritt meiner Angreiferin war durch die laute Musik, die jetzt durch den Nachtclub wummerte, fast vollständig übertönt worden. Als ich mich umdrehte, stürmte eine junge Frau mit einem Messer auf mich zu. Sie hatte die zusammengebissenen Zähne gebleckt, und ich konnte das tiefe Grollen deutlich hören, das sie ausstieß, als sie sich auf mich warf. Ich zögerte, während mein Gehirn noch zu begreifen versuchte, warum diese Fremde mich aus heiterem Himmel angreifen wollte. Es gelang mir in letzter Sekunde, sie mit beiden Händen an den Handgelenken zu packen, doch da hatte sie die Messerspitze bereits in den fleischigen Teil meiner Schulter gebohrt und den Muskel verletzt.
Ich stieß ein schmerzerfülltes Zischen aus und verlagerte das Gewicht auf den linken Fuß, sodass ich die Frau von mir wegstoßen konnte. Dennoch ließ sie das Messer nicht los und riss mir, während sie zurücktaumelte, die Klinge aus dem Arm.
In der kühlen Luft breitete sich der Geruch meines Blutes aus. Sofort schlug eine rote Hungerwelle über mir zusammen. Ich blinzelte ein paarmal, um die Welt um mich herum wieder klar zu sehen. Selbst auf den Schmerz in meinem Arm wollte ich mich lieber konzentrieren als auf den Schwarm Nachtwandler, die plötzlich nichts anderes mehr im Sinn hatten, als mich bis auf den letzten Tropfen auszusaugen. Ich unterdrückte ein Knurren und schirmte meinen Geist, so gut es ging,
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