Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
die Sache unter Kontrolle behalten«, sagte Mira. Ihre Stimme klang fest und bestimmt. Jetzt strahlte sie wieder ihr übliches Selbstvertrauen aus und hatte die Situation voll im Griff. »Schreib, dass die Blutergüsse älter sind, und gib an, dass sie von einem großen Hund getötet wurde. Es dauert ja eh noch mal fünf Wochen, bevor das Ergebnis der Blutuntersuchung da ist und du den Bericht abschließen kannst, oder?«
»Ja.«
»Ich denke nicht, dass dabei noch irgendwas Überraschendes rauskommt, aber falls doch, lass es unter den Tisch fallen. Ich will nicht, dass etwas von Substanzen in ihrem Blut im Bericht steht, das über einen Tequila hinausgeht.«
»Und was ist mit der Polizei? Die glauben mir doch nie … «
»Um die Polizei kümmere ich mich schon. Wir müssen der Presse und den Eltern des Mädchens eine nette, saubere Geschichte hinwerfen, an der sie sich festhalten können, bevor die Sache völlig aus dem Ruder läuft.«
»Bist du dir sicher?«
»Ja. Und jetzt verzieh dich!«, befahl sie. Ihre Stimme wurde hart wie Granit, und die Raumtemperatur kühlte sich um ein paar Grad ab, als hätte jemand die Klimaanlage aufgedreht.
»Aber … «
»Verschwinde!«, zischte sie und umklammerte die Tischkante. Ich stand stocksteif da, während es mir unmenschlich in den Fingern juckte, mir eins meiner Messer zu schnappen. »Nimm den Fahrstuhl hoch ins Büro! Check deine E-Mails! Unterhalt dich fünf Minuten mit dem Nachtwächter, dann kannst du gehen! Wir sind weg, bevor du im Auto sitzt.«
Archie war klug genug, nur zu nicken. Seine scharfen, kurzen Schritte hallten durch den stillen Raum, als er sich hastig aus dem Staub machte. Mira wartete, bis sich die Türflügel wieder geschlossen hatten, bevor sie den Tisch losließ und den Platz des Leichenbeschauers auf der anderen Seite einnahm.
Sie beugte sich über das, was von Abigails Hals noch übrig war, und sog scharf die Luft durch die Nase. Ich konnte nur vermuten, dass sie überprüfte, ob sie den gleichen Geruch auffangen konnte, von dem sie bereits in der Wohnung einen Hauch gespürt zu haben meinte. Plötzlich prallte die Vampirin zurück, während sie sich krümmte und würgte. Ich erstarrte. Noch nie hatte ich gesehen, wie es einem Vampir in der Kehle würgte, schon gar nicht vom Gestank einer verwesenden Leiche. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass sie sich vor irgendwas ekelten. Schließlich fiel Mira sogar auf die Knie und presste eine Hand auf den kalten Boden, die andere an die Brust. Erneut wurde sie von einem Würgekrampf geschüttelt, bei dem sich ihr schlanker Körper zusammenkrümmte.
»Mira?«
»Alles klar«, flüsterte sie heiser. Abweisend hob sie die Hand. Ein paar Augenblicke später kam ihr Körper zur Ruhe, und ein friedlicher Ausdruck trat in ihre Augen. Was auch immer den Anfall verursacht hatte, jetzt war es vorbei.
»Wie gut ist dein Geruchssinn?«, fragte sie und rappelte sich langsam auf. Es überraschte mich, dass sie nicht wie sonst immer ihre Kräfte einsetzte, um auf die Füße zu kommen, aber eigentlich hatte sich die Nachtwandlerin schon die ganze Zeit seit unserer Begegnung im Hotel äußerst merkwürdig verhalten. Warum sollte das plötzlich anders sein?
»Wie bei einem Menschen«, antwortete ich. Ich konnte genauso gut riechen wie jedes normale menschliche Wesen. Dass ich zum Teil Bori war, half mir nicht in jeder Hinsicht.
»War ja klar«, grummelte sie und trat wieder an den Tisch mit der Leiche.
»Was war denn?«
»So etwas habe ich noch nie gerochen«, sagte sie und kräuselte angewidert die Oberlippe. Sie hielt jetzt etwas Abstand von der Leiche, als wollte sie vermeiden, den Geruch noch einmal in die Nase zu bekommen. »Schlimmer als vergammeltes Fleisch in der prallen Mittagshitze. Das ist nicht nur der Gestank des Todes. Und es geht auch nicht von ihr aus. Sondern von dem, was sie überfallen hat.«
»Ist es das, was du auch in der Wohnung gerochen hast?«
»Vielleicht … «, antwortete sie zögernd und musterte den Hals des Mädchens. »Es war nur ganz schwach … ich weiß es einfach nicht.«
»Ist damit ein Vampir als Täter ausgeschlossen?«
Mira verzog das Gesicht. Einen Moment wirkte sie todtraurig und bedrückt. »Leider nicht.« Die beiden Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. Mir schien, dass sie hierhergekommen war, um Antworten zu finden, und jetzt bloß mit noch mehr Fragen dastand.
»Wir müssen gehen«, erinnerte ich sie.
»Einen Moment noch«, sagte sie und hob
Weitere Kostenlose Bücher