Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
deine Bestellung in Venedig«, fiel sie mir ins Wort, bevor ich die Frage zu Ende stellen konnte, die zwischen uns in der Luft hing.
Ihre Worte waren wie die sanfte Berührung eines Schmetterlingsflügels. Eben noch war mein Blick durch das Restaurant gewandert, aber jetzt hätte ich sie am liebsten schon wieder angesehen. Mit angehaltenem Atem wartete ich ab, ob sie weitersprechen und mich noch tiefer in das zauberische Netz ziehen würde, das sie um mich zu weben schien.
»Eines Nachts bin ich aufgewacht und konnte den schwachen Duft in der Luft riechen.« Sie schloss die Augen, während sie sprach, als verlöre sie sich in der Erinnerung. »Earl Grey und Honig. Du hattest in jener Nacht Meeresfrüchte mit frischem Brot zum Abendessen. Ich hatte ganz vergessen, wie es sich anfühlt, vom Geruch frischen Essens geweckt zu werden.«
»Kann mir nicht vorstellen, dass das in letzter Zeit mal vorgekommen ist«, flüsterte ich und überließ mich ganz dem Moment. Das flackernde Licht der Kerze auf dem Tisch tanzte über ihre Züge, umschmeichelte sie und erinnerte mich an die Lichtflecken in den Kanälen von Venedig, die über ihren Körper gehuscht waren.
»Du hast ein kurzärmeliges Leinenhemd angehabt«, sagte sie, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Dann holte sie tief Luft und schüttelte den Kopf, als wollte sie die letzten Erinnerungsfetzen vertreiben. »Das ist meine einzige schöne Erinnerung an Venedig.«
Ich starrte auf die verglaste Wand. Nach Einbruch der Dunkelheit war sie zum Spiegel geworden, der das Bild der vielen Abendgesellschaften in dem gemütlichen Restaurant zurückwarf, aber für einen winzigen Augenblick war ich wieder mit Mira in Venedig. Umgeben von Kreaturen, die uns umbringen wollten. Doch Mira hatte mit selbstironischem Lächeln geschworen, mich zu beschützen – und unter größten Gefahren für sich selbst Wort gehalten.
Aber das war nicht alles gewesen. In Venedig hatte sie mich nicht nur mit überraschender Heftigkeit verteidigt, sondern auch Tristan und Nicolai unter ihre Fittiche genommen. Ich hatte Mira kämpfen und töten sehen. Ich hatte miterlebt, wie sie sich an ihrer Macht über das Opfer ihrer Wahl berauschte, aber diese bemitleidenswerten Wesen hatten immer den ersten Schlag geführt. Mira tötete nie ohne Grund und klares Ziel. Und nach diesem Kodex lebte auch ich.
Es war diese beschützende Seite an ihr, die ich gerne verstehen wollte. Ich war so lange davon überzeugt gewesen, dass Vampire hemmungslose Killer und gierige Raubtiere sind. Nie hätte ich geglaubt, einmal eine Vampirin zu treffen, die sich nicht nur um andere sorgte, sondern auch noch über ein ausgeprägtes Ehrgefühl und Verantwortungsbewusstsein verfügte. Das widersprach allem, woran ich bisher geglaubt hatte, und verwirrte mich umso mehr, je länger ich sie kannte.
In dem verzweifelten Bemühen, nicht mehr länger über die widersprüchlichen Signale nachzugrübeln, die ich von Mira empfing, ließ ich den Blick durch das Restaurant schweifen, bis ich endlich auf ein anderes Gesprächsthema stieß. »Gehören die alle zur Familie Rainer?«, fragte ich, als ein weiterer Kellner mit zwei Tellern auf dem Arm aus der Küche kam und auf ein älteres Paar zusteuerte.
»Die meisten schon, aber weniger als die Hälfte gehört zum Rudel«, antwortete sie, nun wieder in normaler Lautstärke. »Man kann ja schließlich nicht bei jedem Vollmond den Laden dichtmachen.«
Unser Kellner kehrte mit meinem Wasser und dem Tee zurück und wollte unsere Bestellung aufnehmen. Als ich zögerte, empfahl mir Mira mehrere Gerichte, ein Hinweis, dass wir mindestens zum Abendessen bleiben würden. Ich war davon ausgegangen, dass Barrett Mira lieber so schnell wie möglich wieder aus seinem Restaurant komplimentieren wollte.
Aber entweder machte ihm unsere Anwesenheit nichts aus, oder ihm war mehr daran gelegen, den Schein zu wahren und uns wie ein ganz normales Paar bei einem ruhigen Abendessen zu behandeln.
Bis das Essen kam, plauderten wir zwanglos. Mira gab eine Geschichte nach der anderen über ihr Leben in Savannah zum Besten. Ihre Liebe zu der Stadt und ihren Bewohnern schwang in jedem ihrer Worte mit. Hier war sie zu Hause, und das war genauso ein Teil von ihr wie das Herz, das noch immer in ihrer Brust steckte. Angesichts ihrer unbeschwerten, sorglosen Einstellung zu vielen anderen Dingen in ihrem Leben kam das ein wenig überraschend.
Als wir mit Essen fertig waren, tauchte endlich Barrett Rainer auf. Er trug
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