Jägerin des Herzens
wieder in die Wirklichkeit zurück. Das mörderische Leuchten verschwand aus seinen Augen, und sein verzerrter Mund wurde wieder weicher. Lily spürte, wie eine starke Anspannung aus seinem Körper wich. Er ließ sie abrupt fallen, als habe er sich an ihr verbrannt.
Finster sah Lily zu, wie er aufstand. Er reichte ihr nicht die Hand, um ihr zu helfen, sondern wartete schweigend, bis sie sich selbst aufgerappelt hatte. Als er sah, dass ihr nichts fehlte, schwang er sich wieder auf sein Pferd.
Lily lehnte sich mit zitternden Knien an einen Baum. Sie würde erst wieder auf ihr Pferd steigen, wenn sie sich kräftiger fühlte. Neugierig betrachtete sie Wolvertons ausdrucksloses Gesicht, dann holte sie tief Luft. »Penny ist zu gut für Euch«, stieß sie hervor. »Früher hatte ich nur Angst dass Ihr sie unglücklich machen würdet. jetzt glaube ich, dass Ihr meiner Schwester körperlichen Schaden zufügen könntet.«
»Warum tut Ihr so, als ob Ihr Euch auch nur einen Deut darum scheren würdet?«, antwortete er. »Ihr habt Eure Schwester und Eure Eltern seit Jahren nicht mehr gesehen. Und offensichtlich wollen sie auch mit Euch nichts zu tun haben.«
»Ihr wisst gar nichts darüber!«, entgegnete sie heftig. Wenn sie nur daran dachte, dass dieses Ungeheuer Penelopes Glück zerstören würde … ihre Schwester würde vor der Zeit alt werden. Zorn stieg in ihr auf. Warum sollte solch ein Unmensch Penelope heiraten dürfen, wenn so ein lieber und sanfter Mann wie Zachary sie liebte? »Ihr werdet Penny nicht bekommen!«, schrie Lily. »Ich werde es nicht zulassen!«
Alex betrachtete sie voller Verachtung. »Macht Euch doch nicht vollends zur Närrin, Miss Lawson.«
Fluchend sah Lily zu, wie Wolverton weg ritt. »Ihr werdet sie nicht bekommen«, gelobte sie leise. »Das schwöre ich bei meinem Leben. Ihr werdet sie nicht bekommen!«
Kapitel 3
Gleich nach seiner Ankunft in Raiford Park ging Alex in den Salon, um Penelope und ihren Eltern einen guten Morgen zu wünschen. Squire und Lady Lawson waren ein seltsames Paar. George war ein gelehrter Mann, der sich mit lateinischen und griechischen Schriften befasste und sich tagelang mit seinen Texten einschloss, wobei ihm sogar die Mahlzeiten aufs Zimmer gebracht wurden. Der Squire hatte kein Interesse am Leben draußen. Durch seine Sorglosigkeit hatte er seinen Besitz und das Vermögen, das er geerbt hatte, vollkommen heruntergewirtschaftet.
Seine Frau Totty war eine attraktive, unruhige Frau, mit runden Augen und goldenen Löckchen. Sie liebte Gesellschaftsklatsch und Partys und hatte ihr ganzes Herz daran gehängt ihre Töchter standesgemäß zu verheiraten.
Alex verstand, wie die beiden ein Kind wie Penelope hatten hervorbringen können. Ruhig, schüchtern, hübsch – in Penelope waren die besten Züge beider vereint. Lily hingegen – bei ihr war es nicht zu verstehen, dass sie zur Familie gehörte. Alex machte ihnen keinen Vorwurf, weil sie Lily aus ihrem Leben verbannt hatten. Hätten sie es nicht getan, wären sie nie zur Ruhe gekommen. Wahrscheinlich verursachte sie ständig irgendwelche Konflikte, mischte sich in alles ein und quälte jeden, bis alle um sie herum wahnsinnig wurden. Obwohl Lily Middleton gleich nach der Jagd verlassen hatte, konnte Alex nicht aufhören, über sie zu grübeln. Er war dankbar dafür, dass sie mit ihrer Familie nichts mehr zu tun hatte. Mit ein bisschen Glück würde er ihre Gegenwart nie mehr ertragen müssen.
Fröhlich informierte Lady Totty ihn darüber, dass die Hochzeitsvorbereitungen erfreulich voranschritten. Am Nachmittag würde der Pfarrer zu Besuch kommen. »Gut«, erwiderte Alex, »teilt es mir mit wenn er da ist.«
»Lord Raiford«, sagte Totty eifrig und wies auf den Platz auf dem Sofa zwischen sich und Penelope, »möchtet Ihr nicht Tee mit uns trinken?«
Gequält stellte Alex auf einmal fest dass Penelope ihn anblickte wie ein Kaninchen, das den bösen Wolf gesehen hat. Er lehnte die Einladung ab, da er keine Lust hatte, Tottys Geschnatter über Blumenarrangements und Hochzeitsvorbereitungen weiter zu lauschen. »Danke, aber ich habe geschäftliche Angelegenheiten zu erledigen.
Wir sehen uns beim Essen.«
»Ja, Mylord«, murmelten beide Frauen, die eine enttäuscht die andere mit kaum verhüllter Erleichterung.
Alex begab sich in die Bibliothek und betrachtete einen Stapel von Dokumenten und Rechnungsbüchern, die seine Aufmerksamkeit erforderten. Um die meisten Dinge hätte sich sein Verwalter kümmern
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