Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
auf. Nein, nein, nicht die Baumhöhle, nicht die Untere Welt.
Noch ein anderes Schnurren tief aus dem Bauch heraus.
Jau, das war’s. Die Weide.
Majestät schnurrte und schnurrte, und das Summen des monotonen Liedes mischte sich mit diesem Schnurren.
Der Vorhang aus Weidenzweigen wich auseinander und gab den Blick auf die glatte Oberfläche des Sees frei.
Nathan rief seine Führerin und bekam gleich darauf Antwort.
»Shaman!«
»Ich bin hier.«
»Shaman!«
»Mit einer Freundin.«
Stille, dann schimmerten wieder die Sterne in dem dunklen Spiegel des Sees. Und sie formten sich zu einem Bild. Gesas Enkelin, Felina. Sie war also noch immer dort. Und an ihrem Hals schimmerte das Ankh. Ganz kurz nur, dann verschwand beides, und eine schmale Mondsichel erschien, füllte sich und wurde zum vollen Rund.
Das Mädchen würde zurückkommen und ihr das Ankh bringen.
Dem Heiligen Sphinx sei Dank.
Oder?
Die glatte Oberfläche kräuselte sich, wogte auf und schäumte, und eine krallenbewährte Tatze schlug nach dem Mond, der in tausend Funken zersplitterte.
Gefahr!
Warnung!
Ein Feind!
Majestät blieb das Schnurren im Halse stecken, und der Weidenvorhang fiel zurück.
Nathan summte weiter, und sie befanden sich wieder in der Mitte der Lichtung. Dann wurde auch seine Stimme leiser, das Bild verblasste, verschwamm, löste sich auf.
»Nun, war es das, was du wolltest?«
»Mau.« Kam ziemlich leise und krächzend. Dankbar leckte sie ihm über das Kinn.
»Was hat dieses Mädchen mit dir zu tun? Was ist das für ein See? Schade, du könntest mir bestimmt Antworten geben.«
Nathan kraulte ihren Nacken.
Könnte ich, aber ob du die verstehen würdest, Wanderer?
»Ich sollte mich bei Iris wohl mal nach ihrer Nichte Felina erkundigen. Vielleicht weiß sie mehr.«
»Mirrr!« Kralle in den Arm.
»Nicht?«
Kralle raus.
Noch weniger als Nathan würde Felinas Tante verstehen, was hier vorging. Und helfen konnte sie auch nicht. Immerhin, das Ankh war gefunden und in guten Händen. Tatsächlich Händen, und zwar solchen, die inzwischen vermutlich ziemlich genau wussten, was es bedeutete.
Wieder einmal war Geduld gefordert. Weitere zwei Wochen Geduld, bis der Mond sich gerundet hatte. Und dann galt es, Vorsicht walten zu lassen.
»Komm, du seltsame Katze. Einen Nightcap?«
»Maumau!«
Immerhin wurde einem das Warten hier versüßt.
42. Im Scharrwald
Finn fühlte sich an diesem Morgen fast wieder wie ein Mensch. Na ja, fast. Auf jeden Fall besser als noch vor zwei Tagen. Aber ein wenig schlapp war er noch, und nach dem Marsch zum Lind Siron war er erschöpfter, als er erwartet hatte. Feli hatte ihm ihre Laube angeboten, Nefer ihm ein paar Fische gebracht, und Amun Hab selbst hatte ihn besucht, um sich seine Erlebnisse schildern zu lassen. Und ihm zu berichten, dass Feli und die trantütige Che-Nupet doch tatsächlich das Ankh gefunden hatten.
Letzteres ärgerte ihn, und dieser Ärger belebte ihn mehr als alles andere. Als Nefer von seiner Jagd zurückkam, knurrte er daher: »Wir sollten so schnell wie möglich diese Menschel auftreiben.«
»Du bist sauer, weil Felina das Ankh hat?«
»Frauen drängen sich immer vor.«
»Manche.«
Nefer sah aus, als ob er ein Grinsen verstecken müsste, was Finn noch mehr nervte. Muffelig raunzte er: »Kommst du nun mit oder nicht?«
»Natürlich komme ich mit.«
Seite an Seite trabten sie Richtung Grenzfluss. Der Avos Kaer lag zwei Tagesstrecken vom Lind Siron entfernt, und als Finn das letzte Mal diese Strecke gelaufen war, hatte er sie zusammen mit dem Boten in kürzerer Zeit hinter sich gebracht. Doch das war ihm jetzt noch nicht möglich. Er musste zu seinem eigenen Ärger immer mal wieder Pausen einlegen und sogar Nefer für Futter sorgen lassen. Aber mit schierer Willenskraft hielt er sich auf den Pfoten und klagte auch nicht, wenn ihn die Hüfte schmerzte.
Am Abend des zweiten Tages standen sie am Ufer des Avos Kaer und schauten auf die andere Seite, wo die hohen Eichen des Scharrwaldes aufragten.
»Irgendwo da drin müssten sie sein«, sagte Finn schließlich. »Es gibt hier eine Stelle, wo ein Baumstamm eine Brücke bildet.«
»Wir betreten das Revier des fel’Derva, Finn.«
»Ja, und?«
»Die Clans sind ein bisschen eigen, wenn man unaufgefordert in ihr Gebiet eindringt.«
»Aber die Grenzschützer machen das doch auch ständig. Wir sind immer auf der anderen Seite langgegangen.«
»Grenzschützer dürfen die Grenzen abgehen, Boten und Würdenträger das
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