Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
dunkel geworden, die Geräusche der Nacht klangen bis zu ihm hinunter. Nachtjagende Vögel stießen ihre Schreie aus, Steinchen rieselten unter den Pfoten irgendwelcher Tiere, das Wispern der Blätter im Nachtwind war deutlich zu hören. Es schien, dass die Höhle die Geräusche aus irgendeinem Grund verstärkte.
Finn leckte noch etwas Wasser auf und legte dann den Kopf wieder auf die Pfoten. Es war sinnvoller, bis zum Morgengrauen auszuharren. Vielleicht würde er sich dann besser fühlen. Die Wunden an seinem Katzenkörper heilten gewöhnlich recht schnell, hatte er festgestellt.
Er döste wieder ein, und sein Geist wanderte in der seltsamen, schattenlosen Zone des Zwielichts. Manchmal tauchten Gesichter auf. Das seiner Mutter, deren vorwurfsvoller Blick ihn streifte. Kristin, die über etwas kicherte, vermutlich über seine Blödheit. Dann wurde die Welt farbiger – er war wieder zu Hause, in seinem Zimmer. Tiefe Traurigkeit erfasste ihn, als er seinen PC sah, den Helm, seine Bücher. Dann verschwand all das wieder, und es wurde grau und nebelig um ihn. Unheimlich war dieser Nebel, undurchdringlich. In Schwaden umwaberte er die Stämme uralter Bäume. Hier und da leuchteten gespenstische Augen auf.
Finn erwachte von seinem eigenen angstvollen Keuchen.
Finster war es geworden, die dunkelste Stunde der Nacht, in der auch die Jäger ruhten.
Sein Körper schmerzte noch immer unbarmherzig, in seiner Hüfte pochte es. Schlafen konnte er nicht mehr, denn nun wollte sein Verstand Antworten haben.
Was war eigentlich geschehen? Er versuchte sich daran zu erinnern, was von dem Moment an passiert war, als sie die Panther gesehen hatten.
Einer war sofort auf ihn zugestürmt, ein anderer auf Nefer. Drei aber hatten sich auf Felina gestürzt.
Großer Gott, auf Feli! Er war ein Kater, er war schnell gewesen, Nefer hatte sofort zugeschlagen. Aber Feli … Ein Mädchen und drei mordlustige Panther? Sie musste tot sein. Oder tödlich verletzt. Che-Nupet war ihr ganz sicher keine Hilfe gewesen. Auch sie vermutlich ein Opfer der Raubkatzen.
Aber warum? Warum hatten sie sie angefallen? Angeblich blieben die wilden Katzen doch unter sich. Hatten sie unwissentlich eine Reviergrenze überschritten? Nein, sicher nicht, denn auf dem Hinweg hatten sie denselben Pfad genutzt, und da war keine Spur von Panthern wahrnehmbar gewesen.
Hatten die Panther gewusst, dass sie dort entlangkommen würden? Es sah fast so aus, denn es war kein willkürlicher Angriff. Die fünf hatten genau gewusst, wie sie ihre kleine Gruppe auseinandertreiben konnten. Feli war ihr auserwähltes Opfer. Feli, die fünf Ringe in der Tasche hatte. War es das gewesen?
Aber wer wusste davon? Sie hatten mit niemandem über ihre Expedition zu der abgebrannten Laube gesprochen. Hatte man sie heimlich beobachtet? Oder hatte einer von ihnen darüber geredet? Che-Nupet war ziemlich blöde. Vielleicht hatte sie bedenkenlos geschwatzt.
Oder hatte gar dieser undurchsichtige Amun Hab sie ganz bewusst in die Falle laufen lassen?
Feli hatten sie angegriffen. Und dann hatten sich zwei auf ihn gestürzt. Hatten sie Nefer getötet? Oder – und hier grauste es ihn plötzlich – hatten sie es auf ihn und Feli abgesehen, weil sie Menschen waren? Der Menschenhasser war Shepsi. War er in der Nähe seiner alten Laube gewesen und hatte beobachtet, wie sie die Ringe gefunden hatten? Hatte einer der Waschbären sie verraten? Hatte Shepsi die Panther beauftragt, sie zu töten? Shepsi war angeblich ja mal als Diplomat tätig gewesen. Er hatte vermutlich Beziehungen auch zu den Raubkatzen.
So musste es gewesen sein – Shepsi. Er wollte die Menschen vernichtet haben, und er wollte die Ringe zurück. Und die Waschbären, diese verfluchten Petzen, hatten ihrem Cheffe sofort von dem Überfall auf sie erzählt.
Und jetzt?
Jetzt war alles vollkommen trostlos. Feli und Che-Nupet vermutlich tot, Nefer vielleicht auch. Und wenn er, Finn, aus der Höhle kam, würde er leichte Beute sein, so zerschlagen wie er war. Die Trauer um seine Freunde nahm ihm fast den Atem. In der Dunkelheit sah er wieder Felis Gesicht. Feli, die ihn lachend kraulte, die ihn auszankte und wie einem Hund Befehle gab. Die so süß und fröhlich sein konnte, die hier, in diesem seltsamen Katzenland auch gar nicht mehr so unnahbar war. Sie hatte ihn auch herumgeschubst, sicher, aber er fühlte sich nicht so klein und mickerig, denn sie hatte trotz allem eine Art, ihn ernst zu nehmen. Nun war sie tot, zerrissen von
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