Jagd auf Roter Oktober
Genosse Hauptmann. Ich möchte den Schuldigen sterben sehen.«
Der KGB-Offizier blieb ungerührt. »Und mit welchen Worten verabschiedete sich der Kapitän von Ihnen?«
»Er befahl mir, meine Gruppe unter Kontrolle zu halten, sie nicht häufiger als erforderlich mit Amerikanern sprechen zu lassen, und fügte hinzu, die Amerikaner würden unser Boot niemals in die Hände bekommen.« Iwanow kamen die Tränen, als er an seinen Kapitän und das Boot dachte. Er war ein stolzer und privilegierter junger Sowjetmensch, Sohn eines hohen Parteifunktionärs. »Genosse, Sie und Ihre Kollegen müssen die Verbrecher finden, die uns das angetan haben.«
»Sehr geschickt gemacht«, erklärte Swijadow zwei Meter weiter. »Selbst Genosse Melechin fand es erst beim dritten Anlauf. Ich war selbst dabei«, fügte er hinzu und vergaß, dass das gar nicht stimmte. In allen Einzelheiten legte er dar, wie das Fitting sabotiert worden war. »Den Grund des letzten Zwischenfalls kenne ich nicht, weil meine Wache zu diesem Zeitpunkt gerade erst begann. Melechin, Surzpoi und Bugajew versuchten stundenlang, unsere Notstromaggregate in Gang zu bringen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wollte ihnen helfen, aber Kapitän Ramius verbot es mir. Ich versuchte es trotzdem, aber Genosse Petrow schickte mich fort.«
Nach zwei Flugstunden trafen sich die Vernehmungsbeamten des KGB zu einer Besprechung.
»Wenn dieser Kapitän schauspielerte, war er verdammt gut«, fasste der für die Vernehmungen zuständige Oberst zusammen. »Seine Anweisungen an die Besatzung sind untadelig. Der Einsatzbefehl wurde verlesen und wie üblich ausgehängt.«
»Aber wer von diesen Männern kannte Korows Unterschrift? Und bei Korow selbst können wir uns ja wohl kaum erkundigen«, sagte ein Major. Zur allgemeinen Enttäuschung war der Kommandant der Nordflotte nach zweistündigem Verhör in der Lubijanka an einer Gehirnblutung gestorben. »Sie könnte auch gefälscht worden sein. Verfügen wir überhaupt über einen geheimen U-Boot-Stützpunkt auf Kuba? Und wie kam der Politoffizier zu Tode?«
»Der Arzt ist überzeugt, dass es ein Unfall war«, antwortete ein anderer Major. »Der Kapitän glaubte, er hätte sich nur den Kopf angeschlagen, aber in Wirklichkeit brach er sich das Genick. Ich finde, sie hätten über Funk um Instruktionen bitten sollen.«
»Der Einsatzbefehl verlangte totale Funkstille«, meinte der Oberst. »Ich habe mich erkundigt. Das ist auf Raketen-U-Booten ganz normal. Konnte dieser Ramius Judo oder Karate? Ist es möglich, dass er den Politoffizier ermordete?«
»Nicht ausgeschlossen«, sagte der Major, der Petrow verhört hatte, nachdenklich. »Er war zwar in diesen Sportarten nicht ausgebildet, aber ein Hals bricht leicht.«
Der Oberst wusste nicht, ob er zustimmen sollte. »Hatte die Mannschaft den Verdacht, dass eine Desertion geplant war?« Alle schüttelten den Kopf. »Ging sonst alles auf dem Boot seinen normalen Gang?«
»Ja, Genosse Oberst«, erklärte ein junger Hauptmann. »Iwanow, der überlebende Navigator, sagte aus, dass Ramius sich der Ortung durch imperialistische Über- und Unterwasserverbände zwölf Stunden lang brillant entzog. Bisher habe ich noch nicht den geringsten Hinweis, dass Hochverrat im Spiel war.«
»Bisher« – alle wussten, dass die Matrosen einige Wochen lang in der Lubijanka ausgequetscht würden.
»Nun gut«, meinte der Oberst, »vorerst hat sich also noch kein Beweis für Hochverrat der Offiziere gefunden. Ich hatte es nicht anders erwartet. Genossen, setzen Sie die Vernehmung bis zur Landung in Moskau auf sanftere Art fort. Die Männer sollen sich entspannen.«
Nach und nach wurde die Atmosphäre in der Maschine angenehmer. Man servierte Wodka, um den Männern die Zungen zu lösen und sie zu kameradschaftlichem Zusammensein mit den KGB-Offizieren zu ermuntern, die Wasser tranken. Die Besatzung wusste, dass man sie für eine Weile inhaftieren würde, nahm das aber mit erstaunlichem Gleichmut hin. Über Wochen hinweg würde das KGB jeden Vorfall auf Roter Oktober rekonstruieren, vom Auslaufen bis zu dem Augenblick, in dem der letzte Mann die Mystic betrat. Andere Teams versuchten bereits überall auf der Welt die Frage zu klären, ob der Verlust von Roter Oktober auf ein Komplott des CIA oder eines anderen Geheimdienstes zurückzuführen war. Das KGB würde die Antwort erfahren, und der Oberst gewann langsam den Eindruck, dass diese Seeleute sie nicht geben konnten.
Roter Oktober
Noyes gestattete
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