Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
höchstens fünfundvierzig Minuten«, beschloss Ted, »dann tauchen wir auf.«
»Eine ausgezeichnete Entscheidung!«, lobte Lepod.
Was für ein Wahnsinn!, dachte Marty.
Aber da hatte Ted die Tauchkugel schon in Richtung der jagenden Pottwale gewendet.
Oben an Bord der »Coelacanth« hatte das Raubtier die Jagd ebenfalls aufgenommen und war mehr als zufrieden mit dem Verhalten seiner Beute. Die Crewmitglieder rannten wie aufgeschreckte Karnickel durch die Gänge des Schiffsbauchs. Dirk, Butchs alter Pitbull, hätte seine helle Freude an ihnen gehabt.
Wolfe hatte den Verschlüsselungscode der Funkgeräte geändert, aber das war egal, denn die spielten sowieso keine Rolle mehr. Butch hatte sich inzwischen auf Blackwoods Frequenz begeben und sich in den vergangenen Stunden mehrmals mit ihm verständigt. Alles war vorbereitet und Blackwoods Leute warteten nur darauf, dass Butch das Startsignal gab. Und das tat er nun. Er hielt sich Roys Funkgerät an die glatt rasierte Wange und sagte: »Kommt und schnappt sie euch.«
»Verstanden«, antwortete Blackwood. »Wir sind unterwegs. Wir lassen den Piraten eine Viertelstunde Vorsprung, dann beginnt der Spaß.«
Daraufhin klemmte sich Butch das Funkgerät an den Gürtel und den Ohrclip ins Ohr. Er lud seine Maschinenpistole und steckte sie sich hinten in den Hosenbund. Dann prüfte er noch einmal, ob sein grünes Band fest am Handgelenk saß, und begann den weißen Laborkittel zuzuknöpfen. Doch beim letzten Knopf überlegte er es sich anders. Er würde den Kittel lieber offen tragen, um schnellen Zugriff auf Funkgerät und Pistole zu haben. Ein letztes Zurechtrücken der Perücke und der Brille, dann war er fertig.
»Dr. O’Connor hat zur Jagd geblasen«, murmelte er und machte sich auf den Weg zu Labor Nr. 9.
»Dr. Wolfe?«
Als Yvonnes Stimme aus dem Funkgerät schnarrte, lag Wolfe rücklings unter dem Bedienungspult des Kontrollraums, eine Taschenlampe zwischen die Zähne geklemmt, und suchte nach einer Möglichkeit, das bisschen Strom, das sie hatten, zum Kommunikationssystem von MAR umzuleiten. Mit einiger Mühe löste er das Funkgerät von seinem Gürtel und hielt es sich an den Mund. »Wo haben Sie gesteckt, Yvonne?«
»Ich habe mit Dr. Jones auf der Krankenstation Schach gespielt und hatte mein Funkgerät ausgeschaltet. Dr. Jones sagte, es würde seine Konzentration stören. Aber als die Lichter ausgingen, habe ich es sofort wieder angeschaltet. Allerdings kam da ein derartiges Stimmengewirr raus, dass ich …«
Stimmengewirr tönte auch jetzt aus dem Funkgerät und überlagerte Yvonnes Worte.
Wolfe fluchte und wartete entnervt auf eine Pause in dem Wortbrei. Hätte er Yvonne doch bloß ein verschlüsseltes Funkgerät gegeben! Dann endlich trat die ersehnte Pause ein. Schnell tastete Wolfe nach dem Sprechknopf und hielt ihn gedrückt, damit niemand die Übermittlung unterbrechen konnte.
»Yvonne, wechseln Sie zu Kanal 18«, sagte er. »Aber ich warne Sie: Wenn ich in den nächsten zehn Minuten irgendjemanden auf diesem Kanal sprechen höre, dann werde ich Sie höchstpersönlich kielholen schicken. Sowieso: Lassen Sie die Finger vom Funkgerät, wenn Sie nicht irgendetwas sehr Dringendes mitzuteilen haben!«
Dann wechselte er selbst zu Kanal 18. »Sind Sie da, Yvonne?«
»Ja. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Bo ist ausgebüxt.«
»Das habe ich schon gehört.«
»Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Sie verletzt Menschen, was völlig untypisch für sie ist. Ich nehme an, dass sie irgendetwas gespritzt bekommen hat.«
»Wer sollte denn so etwas tun?«
»Jemand, der uns schaden will«, antwortete Wolfe und erzählte ihr von Butch McCall.
»Wie sieht der Typ aus?«
»Das wissen wir nicht genau«, antwortete Wolfe. »Er ist auf jeden Fall groß. Gut möglich, dass er sich als Wissenschaftler ausgibt. Sie müssen ihm unbedingt aus dem Weg gehen. Er ist extrem gefährlich.«
»Keine Sorge, das werde ich tun«, versicherte Yvonne.
»Ich möchte Sie bitten zu meiner Kabine oben auf der Brücke zu gehen. Unter der Koje liegt eine Betäubungspistole. Haben Sie so ein Ding schon mal benutzt?«
»Natürlich!«
»Okay, laden Sie ein paar Pfeile mit Ketamin. Das Präparat finden Sie im Kühlschrank unter dem Labortisch. Dann suchen Sie Bo und betäuben sie umgehend. Versuchen Sie gar nicht erst sie zu beruhigen, zu tätscheln und in ihren Käfig zu locken. Das ist reine Zeitverschwendung. Über das Stadium, wo das funktionieren würde, ist sie längst hinaus.
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