Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
schießt es umher wie ’ne Pistolenkugel.«
»Mag ja sein«, fiel ihm Luther ungeduldig ins Wort, »aber wozu dient es?«
»Als Mikroroboter.«
»Und das Ding fliegt wirklich?«
»Nicht nur das. Ich hab dir doch erzählt, dass Wolfe den Raben Vid, die Delfine und Bo mit Mikrokameras ausgestattet hat, oder?«
Luther nickte.
»Wenn Wolfe auf der Suche nach Kryptiden ist, lässt er die Tiere frei herumlaufen, -fliegen oder -schwimmen und verfolgt ihre Bewegungen per Gizmo«, erklärte Marty. »Im Kongo hatten die Tierspäher alles perfekt im Blick – sogar Grace und mich, als wir in Schwierigkeiten steckten. Bo hat für uns auf Höhe der Baumkronen gespäht und Vid aus der Vogelperspektive. Und in Neuseeland werden die Delfine für uns die Augen offen halten, unter Wasser. Das Problem an der Sache ist, dass Wolfe keinen Einfluss darauf hat, wohin sich die Tierspäher bewegen und was sie anschauen. Deswegen hat Ted diesen Roboter konstruiert: Der bewegt sich genau dorthin, wo wir ihn hinsteuern. Er besitzt eine eingebaute Mikrokamera, die sogar Töne aufnehmen kann, aber wie das funktioniert, hab ich noch nicht rausgefunden.«
»Ist ’n Scherz, oder?«, sagte Luther.
In diesem Moment begann das kleine goldene Flugobjekt sich zu regen und zu entfalten. Sein Kopf kam unter einem Flügel hervor und seine Kameraaugen fingen an zu blinken. Es streckte erst seinen rechten Flügel aus, danach seinen linken, und dann begannen beide Flügel mit einem brummenden Geräusch zu vibrieren. Kurz darauf entfaltete sich ein zweites Flügelpaar direkt hinter dem ersten. Schließlich erhob sich das Flugobjekt und streckte seine sechs Beine, als hätte es Probleme mit steifen Gliedern.
»Jetzt verstehe ich, warum du es Libelle nennst«, stellte Luther fest. »Das sieht ja tatsächlich so aus.«
»Und es fliegt auch so«, sagte Marty. »Es kann eine Punktlandung auf einem Cent-Stück hinlegen, es kann auf dem Rücken fliegen, schweben …«
»Ist das Ding aus echtem Gold?«, unterbrach ihn Luther.
Marty schüttelte den Kopf. »Es ist aus einer speziellen Legierung, die Ted erfunden hat. Keine Ahnung, woraus die besteht, aber das Material ist federleicht.«
»Da müssen ja zig Millionen Dollar Entwicklungskosten drinstecken«, bemerkte Luther. »Sorry, ich will dir nicht zu nahe treten: Aber warum haben sie es ausgerechnet dir anvertraut?«
»Weil niemand anders es steuern kann, ohne es sofort zu schrotten. Ted hat insgesamt drei von den Brummern gebaut. Die ersten beiden haben sie noch im Flugzeughangar gegen eine Wand gecrasht. Daraufhin hab ich Wolfe und ein paar von Teds Tüftlern gefragt, ob ich mein Glück mit dem dritten Exemplar versuchen könnte. Natürlich waren sie strikt dagegen, aber plötzlich hat Wolfes Gizmo geklingelt, er hat eine Weile zugehört und dann gesagt: ›Bist du dir sicher, Ted?‹ Und dann hat er mir den letzten noch übrigen Flieger und den Spezial-Gizmo, der sozusagen als Fernbedienung und Ladestation dient, in die Hand gedrückt.«
»Also war Ted Bronson auch in dem Hangar?«
Marty schüttelte den Kopf. »Er muss das Desaster von seiner Tüftelbude aus auf dem Bildschirm verfolgt haben. Aber wie auch immer, am Anfang war die Libelle schon etwas schwierig zu lenken. Trotzdem hab ich’s geschafft, das Ding eine halbe Stunde lang unfallfrei in der Luft zu halten. Die Steuerhebel sind total empfindlich und reagieren blitzschnell. Wenn dir das Ding außer Kontrolle gerät, besteht der Trick darin, es so lange im Schwebezustand zu halten, bis dir eine Lösung eingefallen ist.«
Jetzt wandte ihnen die Libelle ihren winzigen Kopf zu. Marty tippte auf eine Taste des Gizmos, woraufhin Luthers und Martys Gesichter auf dem Monitor des Geräts erschienen.
»Glaubst du, ich darf es auch mal probieren?«, machte Luther einen Vorstoß.
»Nee, sorry«, erwiderte Marty. »Wolfe hat ausdrücklich betont, dass nur ich es lenken darf. Wenn ich mich nicht daran halte, macht er mich ’nen Kopf kürzer. So, und jetzt lass uns endlich Bo und TH einfangen.«
Die Libelle hob vom Boden ab. Marty ließ sie ein paar große Kreise fliegen, dann brachte er sie ungefähr dreißig Meter über ihren Köpfen in Schwebeposition.
Luther schaute auf den Gizmo-Monitor und sah ein Video von sich und Marty aus der Vogelperspektive. »Woher kriegt das Ding seine Energie?«
»In die Flügel sind Sonnenkollektoren eingebaut, die eine Reihe von Minibatterien speisen. Draußen kann die Libelle also einen ganzen Tag lang fliegen,
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