Jagdfieber
unvermeidlichen Sturmböen waren das eigentlich Gefährliche, sobald das Unwetter seine volle Kraft entfaltete. Vereinzelte abgerissene Äste, die durch die Luft flogen, konnten zu einer tödlichen Waffe werden, wenn sie einen Menschen mit voller Wucht am Kopf trafen. Die Vorstellung einer bewusstlosen und blutenden Paige verursachte ein unangenehmes Ziehen in seinem Magen. Das flaue Gefühl nahm zu, sobald er sich ausmalte, was ihr hier draußen alles zustoßen konnte.
Endlich erreichte er den höchsten Punkt des Hügels und blieb neben einer ausladenden alten Eiche stehen. Die Koppel befand sich ganz in der Nähe eines dichtbesiedelten Waldbestands, mannshohes Farnkraut machte eine Sicht zwischen die Bäume unmöglich. Das Wäldchen war völlig naturbelassen und ein wenig verwildert. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er die Anhöhe hinunter. Die Pferde wirkten nicht sonderlich nervös, obwohl sie das herannahende Gewitter sicher spüren konnten. Sie würden einfach mitten auf der Weide stehen bleiben, die Köpfe nach unten senken und warten, bis es vorbei war. Ihr natürlicher Instinkt sorgte ganz von allein für das richtige Verhalten. So trabten sie immer noch frei und ungebärdig über das Gelände und warfen verspielt die Köpfe hin und her. Victor hielt mit zusammengekniffenen Augen seine tänzelnde Stute im Zaum und wollte schon wenden, um woanders weiterzusuchen, als er aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahrnahm. Er blinzelte, schaute genauer und tatsächlich … sie war es. Seine Besorgnis wich Erleichterung, während er sie nicht für eine Sekunde aus den Augen ließ. Ihre gesamte Körperhaltung verriet Ungezwungenheit, die Arme ruhten in lässiger Bewegungslosigkeit am oberen Rand des solide verarbeiteten Zauns, während sie einen Fuß auf dem mittleren Querstreben abstützte. Seine behandschuhten Hände krampften sich unwillkürlich fester um die Zügel, als er der kurvigen Linie ihres Körpers folgte. Fast zeitgleich dehnte sich ein leichtes Prickeln auf seinem Körper aus, und er presste seine Oberschenkel zusammen, als könnte er dadurch den unvermeidlichen Blutfluss in seine unteren Regionen aufhalten. Liberty trat protestierend aus und zog unruhig an den Zügeln. Das holte ihn augenblicklich in die Wirklichkeit zurück. Er stieg vom Pferd, fest entschlossen, Ross’ Bitte nachzukommen und sie heimzubringen. Danach würde er umgehend nach London fahren und sich außer der Reihe mit Charlotte treffen. Er hatte ein bisschen Entspannung weiß Gott nötig, und der stimulierende Anblick von Paiges prallem Hinterteil machte es nicht gerade besser.
Die Zügel schlang er um einen tiefhängenden Ast der knubbeligen Eiche und lief mit federnden Schritten den kleinen Hügel hinunter. Dabei war er geistesgegenwärtig genug, keine allzu lauten Geräusche zu verursachen. Er umrundete einen herumliegenden Ast und mied größere Anhäufungen von trockenem Laub, welche unter dem Tritt seiner Stiefel raschelnd zerfallen wären. Da sie ganz in Gedanken schien, wollte er sie nicht erschrecken. Während er sich ihr näherte, fixierte er ihren überaus entzückenden Hintern und speicherte die Rundungen auf seiner internen Paige-Festplatte ab, die er in seinem Kopf extra für sie angelegt hatte. Unverblümt erotische Bilder ereilten ihn, seine Fantasien wurden unpassenderweise immer intimer. Victor hätte nur zu gern jedes einzelne Bild aus seinem Bewusstsein radiert, doch die Lithografien seines Geistes blieben lebendig und setzten ihm weiterhin zu.
Dicht hinter ihr blieb er stehen, inhalierte ihren Duft und nahm eine Woge purer Sinnlichkeit in sich auf, die seine Nervenbahnen wie kleine Stromstöße reizte. Ohne sich zurückhalten zu können, streckte er die Hand aus und berührte die Spitzen ihres Haars, das ihr tief in den Rücken hing. Hauchzart nur, dennoch wunderte es ihn, dass sie nicht reagierte. Spürte sie nicht, dass sie nicht mehr allein war?
Gleich darauf bemerkte er ihre veränderte Atmung, der Brustkorb hob und senkte sich hastiger. Victor lächelte dünn. Natürlich wusste sie, dass jemand hinter ihr stand. Er trat näher an sie heran, mit der heroischen Wunschvorstellung ausgestattet, ihr nur helfen zu wollen, sie in Sicherheit zu bringen – vor dem Unwetter und auch vor sich selbst. Paige versteifte sich leicht, weil sie seine Körperwärme spüren musste, entspannte sich aber sofort wieder und stieß einen seufzenden Atemzug aus. Es hörte sich beinahe erleichtert an, als hätte sie nur
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