Jagdhaus in Der Eifel
Beihilfesätze für den Krankheitsfall ging.
Linsentopf mit Einlage oder Spaghetti provençale oder Rheinischer Sauerbraten – das war die Frage und zwei, vier oder sechs Deutsche Mark auch. Also Entscheidungsbedarf jede Menge, fast zuviel für Beamte im Dienst.
Sörensen und Freiberg nahmen die Tabletts vom Hebestapler und legten Bestecke und die Papierservietten darauf. In der Kühlvitrine standen die im Preis inbegriffenen Beilagen, Salate, Eis und Obst, sowie andere Nachspeisen zur Entnahme bereit. Getränke wurden auf einem Tischchen neben der Kasse angeboten.
Sörensen nahm zum Spaghettigericht Salat und ein Glas Rosé. Freiberg hatte den Mut, sechs Mark anzulegen und stellte ein Schälchen rote Grütze und ein Glas Rotwein für zusätzlich eine Mark und fünfzig auf sein Selbstbedienungstablett. Beim Rheinischen Sauerbraten gehörten Klöße und Apfelbrei zum Hauptgericht.
Die beiden Kollegen nahmen an einem Vierertisch Platz. Noch hatte sich die Kantine nicht gefüllt. Das Essen war kein Zeremoniell, trug aber dazu bei, die Gespräche zu fördern.
»Ohne das richtige Maß Honigkuchen und Rosinen in der Soße kein Rheinischer Sauerbraten. Das hat der Küchenchef heute wieder fein abgeschmeckt. Der ›Rheinische‹ war mein erstes Gericht hier in der Kantine. Jetzt kann ich ihn nicht mehr auslassen«, sagte Freiberg, als ob er die höhere Ausgabe rechtfertigen müsse.
Kriminalrat Sörensen drehte kunstvoll seine Gabel und schaffte es, die Spaghetti so zum Munde zu führen, daß keine der Nudeln wie ein sich windender Wurm herabhing und sich um die suchenden Lippen kringelte. Er konnte es sich – ästhetisch gesehen – leisten, sparsam zu essen.
»Ich bemerke einen so fröhlichen Blick des jungen Kommissars. Was ist los mit dir, Freiberg? Das kommt doch nicht nur vom ›Rheinischen‹ und la petite chope du midi.«
Sörensens »du« und Freibergs »Sie« hatten immer noch Mühe, auf der richtigen Frequenz zusammenzufinden.
»Herr Kollege Sörensen, wir haben einen Mann, der um die Zeit, als unsere Sekretärin verschwand, am Weißen Stein herumgekrabbelt ist, nicht um im Sommer die Schilifts zu inspizieren, sondern um alte Westwallanlagen nostalgisch aufzuarbeiten – wie er sagt.«
»Gratulation, Freiberg. Dabei ist der Fall für dich noch keine vierundzwanzig Stunden alt.«
»Dieser Mann hat auch ein Motiv. Er hat mit der Fournier bis Mitternacht, vielleicht auch länger, im Haus ›gearbeitet‹, und – wie es im Protokoll nach seiner eigenen Aussage so schön heißen wird – bei einer guten Flasche Wein mit ihr etwas gegessen.«
»Das ist ein Motiv für Glückseligkeit, aber nicht für den gewaltsamen Tod«, warf Kriminalrat Sörensen ein.
»Es kommt noch schöner. Unser Mann wollte mit der Dame – sagen wir es im Originalton West und Ost – bumsen, hatte aber keine Erektion.«
»Ganz große Gratulation, Freiberg. Ich meine nicht zu der mißlungenen Kopulation, sondern zur Schnelligkeit der Ermittlungen und dem Ergebnis. Können wir nun in Ruhe weiteressen oder kommt es noch dicker? Du weißt, die Mordkommissare und die Mediziner haben vieles gemeinsam, schweinische Witze und makabre Geschichten. Zum Wohl!«
Kriminalrat Sörensen hob sein Glas, Kriminalhauptkommissar Freiberg hob das seine und nickte dem älteren Kollegen zu.
»Wann und wo hat er die Zeugin seiner Lustlosigkeit abserviert?«
»Da sitzen wir noch fest. Dieser Mann leugnet die Tat, obwohl er den vergeblichen Erhebungsversuch eingestanden hat, ohne daß wir auch nur einen Beweis dafür in der Hand hatten.«
»Ihr werdet ihn schon packen. Ein paar Tage U-Haft, und mancher kann das Wasser nicht mehr halten.«
»Ich habe ihn nicht festgenommen. Unser Mann dürfte jetzt zu Hause angekommen sein. Ahrens hat sich mit der BMW drangehängt. Er müßte gleich hier sein und berichten.«
»Nicht festgenommen? Du riskierst einiges, Freiberg. Und jetzt die Hose runter – wer ist unser Mann?«
»Ministerialdirektor Henrik Aston, Master of Arts, im Amtsjargon Sir Henrik genannt.«
»Du heiliger Donnerschlag! Das haut hin.« Sörensen hatte vor Überraschung die Spaghetti so lose aufgewickelt, daß sie ihm von der Gabel rutschten und ein herumschlenkerndes Bündel bildeten. Sauce provençale tröpfelte über Krawatte und Tisch.
»Ich hätte auch Sauerbraten nehmen sollen. Spaghetti erfordern vollständige Konzentration.«
Freiberg schaute aufmerksam zu, wie sein Kollege mit der Serviette versuchte, das Gesprenkel aufzusaugen.
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