Jagdhunde (German Edition)
Einbruch.«
Robbek erwiderte nichts. Stopfte nur den Stock noch tiefer in die Tonne und schürte das Feuer.
»Hast du sie mal gesehen?«, wollte Wisting wissen. »Als sie noch lebte, meine ich.«
»Sie war da«, bestätigte Robbek.
»Hast du mit ihr gesprochen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Sie kam gerade von einer Lauftour zurück, als ich wieder losfuhr. Das war zwei Wochen, bevor sie verschwand.«
Wieder breitete sich Stille aus, die jetzt fast unangenehm wurde. Das Feuer in der Tonne war kurz davor, auszugehen. Ein kalter Windhauch fegte über die Ackerlandschaft.
Wisting zog seine Jacke enger um den Hals.
Frank Robbek ging zur Scheune hinüber und stellte den Stock ab, mit dem er die Flammen geschürt hatte. »Also, was meinst du?«, fragte er und wischte sich ein Ascheflöckchen vom Pullover. »Wenn du schon hergekommen bist, um über alte Zeiten zu sprechen, dann können wir ja auch reingehen und einen Kaffee trinken.«
43
Das Feuer war kurz vor dem Erlöschen. Line war ganz versunken in die Falldokumente gewesen, stand jetzt auf, nahm das letzte Scheit aus dem Holzkorb und legte es in den Kamin.
Sie war erstaunt, wie gründlich die Arbeit ausgeführt worden war und wie genau der Ermittlungsapparat funktioniert hatte. Die Dokumente waren so geordnet, dass man mithilfe einer alphabetischen Liste aller Beteiligten zwischen den einzelnen Informationen hin und her manövrieren konnte.
Insgesamt waren siebenhundertzweiundneunzig Vernehmungen durchgeführt worden. Alle Zeugen erklärten, wo sie gewesen waren und was sie gemacht hatten, und beschrieben sich selbst hinsichtlich Aussehen und Kleidung, bevor sie dann zu Protokoll gaben, wen und was sie beobachtet hatten. Auf diese Weise war jede Einzelheit genau vermerkt worden. Die wichtigsten Beobachtungen waren mittels verschiedener Farbcodes auf einer Karte eingezeichnet.
Line breitete die Karte aus und befestigte sie an der Wand neben den Bildern von Cecilia Linde, Rudolf Haglund und der Gruppe der Fahnder. Sie verspürte einen gewissen Stolz bei dem Gedanken, dass es ihr Vater war, der die Verantwortung für diese anspruchsvolle Arbeit getragen hatte.
Eine Arbeit, die gleichwohl nicht gut genug gewesen war.
Sie las weiter und verstand nach einer Weile, dass es bei den durchgeführten Ermittlungen auch Mängel und Ungereimtheiten gegeben hatte. Die Ermittler waren davon abhängig gewesen, dass alle, die sich am betreffenden Tag in der Gegend aufgehalten hatten, Kontakt zur Polizei aufnahmen und sich aus eigenem Antrieb meldeten. Doch bestimmt gab es dabei auch Menschen, die etwas zu verbergen hatten. Einige Zeugen hatten auf einem kleinen Weg ein rotes Auto beobachtet, das als Sportwagen mit glänzender Lackierung beschrieben wurde. Ein Zeuge glaubte, es habe sich um einen Toyota MR2 gehandelt. Auch andere Zeugen hatten den Wagen dort vorher schon gesehen, doch er schien in keinerlei Verbindung zu einer der in der Nähe befindlichen Hütten gestanden zu haben. Ob eine oder zwei Personen in dem Wagen gesessen hatten, variierte von Aussage zu Aussage. Der Fahrer wurde als groß und dunkelhaarig beschrieben, jedoch konnte Line ihn nicht unter denjenigen finden, die sich bei der Polizei gemeldet hatten.
Line glaubte, irgendwo im Textarchiv der Zeitung etwas über einen roten Wagen gelesen zu haben, und schaltete ihren Computer ein. Der Suchbegriff ergab zwei mit dem Cecilia-Fall verknüpfte Treffer. Offenbar hatte der rote Wagen auch das Interesse ihres Vaters sowie der anderen Ermittler geweckt. Im Zuge der Pressekonferenz, auf der der Fahrer des älteren weißen Opels, den man an der Gumserød-Kreuzung gesehen hatte, gebeten wurde, sich zu melden, hatte man auch den roten Wagen erwähnt.
In einem zwei Tage danach erschienenen Artikel wurde berichtet, dass der rote Wagen nichts mit dem Fall zu tun hatte.
Erst eine halbe Stunde später fand Line die Erklärung. Eine Frau, die mit ihrer Familie auf Campingurlaub in der Blokkebucht gewesen war, hatte sich gemeldet. Sie hatte erklärt, der rote Wagen gehöre einem verheirateten Mann aus Bærum, der in dem benachbarten Campingwagen wohnte. Sie hatten sich regelmäßig in dem kleinen Waldstück getroffen, wo der Wagen beobachtet worden war, um dort, wie es beschrieben wurde, intimen Verkehr zu pflegen.
Solch alltägliche Heimlichkeiten waren es also, die die Ermittlungen aufgehalten und der Polizei die Zeit gestohlen hatten.
Außerdem war ein dunkel gekleideter Motorradfahrer gesehen worden, der an
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