Jagdhunde (German Edition)
setzten sich wieder an den Tisch.
»Hast du mit Suzanne geredet?«, fragte Line.
Wisting schüttelte den Kopf.
»Solltest du das nicht?«
»Doch ja, das sollte ich«, erwiderte Wisting und wechselte das Thema. »Wo bist du eigentlich gewesen?«
»Bei Jonas Ravneberg.«
»Ist das nicht der Ermordete aus Fredrikstad?«
»Ja, aber er ist auf einem kleinen Hof bei Manvik aufgewachsen. Er gehört ihm noch immer.«
»Und was hast du da gemacht?«
»Ich wollte mir das nur mal ansehen. Er ist damals im Herbst nach der Cecilia-Geschichte von hier weggezogen.«
Wisting runzelte die Stirn und sah Line an. Er konnte nicht lesen, was in ihrem Kopf vorging.
»Der Ort ist völlig verlassen, aber kürzlich ist jemand dagewesen«, sagte sie. »Es gab Reifenspuren, die zum Haus führten, und auf dem Küchentisch stand ein Strauß roter Rosen.«
»Vielleicht passt ja jemand auf den Hof auf«, schlug Wisting vor. »Und dann hat er von dem Todesfall gehört und die Blumen hingebracht. So eine Art letzter Gruß.«
Line blickte ihn skeptisch an. »Als ich da war, ist ein Auto gekommen«, sagte sie und griff nach der Kamera.
»Und wer war das?«
»Ein Mann, der bloß im Auto sitzen blieb. Ich dachte, ich überprüfe mal seine Autonummer.«
Sie schickte eine SMS mit der Autonummer ans Straßenverkehrsamt und reichte Wisting die Kamera. Er nahm sie. Im selben Moment bekam Line die Antwort auf ihre Anfrage.
Wisting spähte auf das Display an der Kamerarückseite. »Das Geld hättest du dir sparen können«, sagte er. »Ich weiß, wer das ist.«
Line blickte von ihrem Handy auf.
»Ich habe heute Vormittag mit ihm gesprochen. Das ist Frank Robbek.«
»Der Polizist?«
»Nach dem Cecilia-Fall quittierte er seinen Dienst. Es wurde zu viel für ihn. Seine Nichte verschwand genau wie Cecilia, nur ein Jahr zuvor.«
»Aber was hat er dann jetzt da draußen bei Ravneberg gemacht?«
»Keine Ahnung«, antwortete Wisting und erhob sich.
Wie eine Tür, die sich einen Spalt öffnete, sah er plötzlich eine Möglichkeit vor sich. Er ging zu dem Karton hinüber, den er aus dem Präsidium mitgenommen hatte, und zog die alphabetisch geordnete Liste aller am Cecilia-Fall beteiligten Personen heraus. Unter R stieß er auf Ravnberg, Jonas . Der Name war in Dokument sechs-dreiundvierzig zu finden.
Wisting schnappte erstaunt nach Luft.
Ravneberg ohne E zwischen ›Ravn‹ und ›berg‹. Die Ähnlichkeit der Namen war frappant. Möglicherweise handelte es sich um einen Schreibfehler, als der Name in das Datenregister eingefügt worden war.
»Was ist los?«, wollte Line wissen.
»Jonas Ravneberg taucht hier im Cecilia-Fall auf«, erwiderte er und nahm Aktenordner Nummer sechs zur Hand, der die Zeugenaussagen enthielt.
Dokument Nummer dreiundvierzig war eine Abschrift der Vernehmung von Hogne Slettevoll. Er war einer der fünf Angestellten des Möbelgeschäfts, bei dem Rudolf Haglund als Lagerarbeiter tätig gewesen war. Slettevoll war Leumundszeuge und sollte aussagen, wie er den Beklagten eingeschätzt habe.
Die Vernehmung war von Nils Hammer durchgeführt worden. Die Aussage des Zeugen bezog sich in erster Linie auf eine gegen Haglund gerichtete Beschwerde. Haglund hatte einer Kundin angeboten, sie nach Hause zu begleiten, um ihr neues Doppelbett zu montieren und auf seine Tauglichkeit zu überprüfen. Dabei hatte er ihr gegenüber geäußert, dass sich die Bettpfosten auch gut dazu eignen würden, Handschellen daran zu befestigen. Die Episode lag zu jener Zeit fast zehn Jahre zurück. Allerdings hatte sich kurz vor der Vernehmung eine ähnliche Geschichte abgespielt. Der Zeuge hatte sich in Verbindung mit der Reklamation eines Sprungrahmens mit einem Kunden im Lager befunden. Haglund sei dann dazu gekommen und habe sexuelle Anspielungen darauf gemacht, was die Ursache für den defekten Sprungrahmen gewesen sein könnte.
Eine halbe Seite der Abschrift bezog sich auf Rudolf Haglunds Temperament. Es wurden einige Episoden beschrieben, bei denen Haglund aufgrund von Bagatellen vor Wut explodiert war. Dabei konnte es sich um Waren handeln, die im Lager an einer falschen Stelle standen, um falsch ausgefüllte Warenbegleitscheine oder um mit Packfolie umwickelte Waren, die sich nur schwer öffnen ließen.
Am Ende der Abschrift stieß Wisting auf den Namen Jonas Ravnberg, ohne E.
Er las Line den Abschnitt laut vor: »Der Zeuge hatte, abgesehen von Arbeitszusammenhängen, keinerlei Umgang mit dem Beklagten. Er hat weder Kenntnis von seinem
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