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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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všechny a nic jiného už neměla. Musíme to tak říci …
    Nein, noch weiter vorne. Událostmi, které ohrozily jeho duševní zdraví a charakter. Verwüsteten die Integrität …? Das ist noch lange nicht das richtige Wort.
    Auch heute sagt unser Radio brav die Wasserstände der Moldau auf, dazu aber schon die Antworten einiger Bürger.
    Der Ministerpräsident Oldřich Černík verurteilt solchen Brief vor der Nationalversammlung. Im Schlußteil rufe er geradezu auf zu Taten, aus denen Sachen entstehen könnten wie Nervosität, Unruhe und rechtliche Unsicherheit.
    Das Präsidium des Z. K. der K. P. Č. glaubt durch diesen Brief das eigene Programm bedroht, die Politik der Nationalen Front und der Regierung gefährdet.
    Wenn ihr wissen wollt, was an Sozialismus möglich ist zu unseren Zeiten, lernt Tschechisch, Leute!
    29. Juni, 1968 Sonnabend Tag der South Ferry
    Die Rawehns, ff. Damen- und Herrenmoden, unterhielten ihr Ladengeschäft am gneezer Markt seit der Franzosenzeit. Sie waren einmal lose verwandt gewesen mit den berühmten Ravens von Wismar; noch im Herbst 1946 sollte ein Mantel für den Winter ausfallen, wie die Firma Rawehn ihn für modisch ästimierte, um so mehr, wenn die Kundschaft ein Handwerkerskind bloß aus Jerichow war, in Obhut einer alten Frau von noch weiter auswärts, einer Flüchtlingsperson. Die Rawehnsche, eine dralle kurze Frau von noch nicht vierzig Jahren, so appetitlich wie unangreiflich verpackt in ihrem städtischen Kostüm, tat beileibe nicht hochnäsig gegen diese Frau Abs und ihren Schützling, die versprachen mit Weizen zu zahlen. Sie durfte vermögliche Kundschaft nicht verärgern; auch solch schwarzes Kammgarntuch hatte sie lange nicht in der Hand gehabt, das hatte wohl seit dem Jahr 1938 in einer Schublade gelegen, einer französischen womöglich, davon hätte sie gern mehr bezogen als anderthalb Meter doppelt breit. Das Futter mit Schottenmuster gar nicht zu erwähnen. Nur, wie diese Gesine Cresspahl sie anblickte! es war ja, um in den Spiegel zu sehen! Im Spiegel wurde sie sich beim Maßnehmen gewahr, vom Kauern stramm am ganzen Leibe, die kastanienschwarzen Haare in festen Streifen hochgesteckt, in der Entwarnungsfrisur, alles nach oben. Daran konnte es nicht liegen. Am Ende war es nur der Trotz, den Mädchen so haben können in diesem Alter.
    Das Mädchen dachte an einen Mantel bis lang über die Knie. Kinder trugen bei Rawehns kurz. Das Mädchen wollte die Knöpfe unter Verdeck. Brachte acht große Hornknöpfe an, zum Verstecken? Das Mädchen wünschte einen hohen Kragen, steif um den Hals gestellt; modisch war für Kinder der Bubikragen, halb die Schultern bedeckend, mit runden Ecken. Das Mädchen hätte lieber keinen Riegel im Rücken gehabt. – Dann is doch der Pli hin? rief Helene Rawehn. – Alle kennen das as ne Arbeit von uns, wat salln de Lüd denken in Gneez!
    Ihr entging nicht, daß die Dreizehnjährige ab und an Beistand suchte im Gesicht ihrer Begleiterin, die so hohl um die Augen war. Sie bekam Blicke, die trösten sollen und vertrösten, von Kenntnissen in der Kunst des Schneiderns fiel Helene da nichts auf. Überdies sprach die Alte ja kaum. Die Rawehnsche gab nach beim Rückengürtel. Den würde sie mit Knöpfen in der Seitennaht befestigen, nach Belieben abnehmbar. Den unteren Saum würde sie um eine Elle umnähen, wenn das Kind einmal denn den sowjetischen Stil tragen mochte. Der Mantel sollte geräumig werden für zwei Jahre Wachstums. Von den sichtbaren Knöpfen, der ausgestellten Form, dem Bubikragen ging Helene keinen Zentimeter ab, da standen für sie die Kunst und Ehre der Familie Rawehn (Raven) auf dem Spiel. Tatsächlich setzte das Kind sich selten zur Wehr bei den Anproben (an Sonntagen, diskret anschleichend durch Tüsche und hintere Tür, damit den sowjetischen Damen, beim Warten im Salon mit den englischen Magazinen, solch Tuch nicht in die Augen stach); wahrhaftig betrog die Rawehnsche das Kind um kein Lot Mehl, noch die Knopflöcher nähte sie mit eigener Hand; von Herzen gern hätte sie mit dem fertigen Stück im Schaufenster für die Firma geworben, wären es Zeiten gewesen wie im Frieden; Sorgen hatte sie selber, um den bei Charkow vermißten Mann, den Heini, den Schürzenjäger, den liebestollen Kerl. Warum sollte da ein Kind nicht eine schmale Flunsch ziehen in Zeiten wie diesen?
    Das Kind war unglücklich mit dem Mantel. Das kam nicht, weil er so die geplanten Zwecke verfehlte. Schräg eingeschnittene Taschen, einmal

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