Jahrmarkt der Eitelkeit
führte ihren Helden in die Küche und gab ihm Bier und die erlesenen Bissen vom Mittagessen, die Joseph aus Angst nicht hatte anrühren können. Der Husar bewies durch die ungeheuren Mengen von Fleisch und Bier, die er verschlang, daß er kein Geist war. Zwischendurch erzählte er seine Unglücksgeschichte.
Sein Regiment hatte Wunder an Tapferkeit vollbracht und eine Zeitlang dem Angriff des gesamten französischen Heeres standgehalten. Es war aber endlich überwältigt worden, wie inzwischen die ganze britische Armee. Ney hatte jedes Regiment, wie es ankam, vernichtet. Umsonst hatten sich die Belgier bemüht, die Engländer vor dem Abschlachten zu bewahren. Die Braunschweiger waren besiegt und geflohen, ihr Herzog getötet. Es war ein allgemeines débâcle 4 ; er versuchte, seinen Kummer über die Niederlage in Strömen von Bier zu ertränken.
Isidor, der in die Küche gekommen war, hörte das Gespräch und eilte hinaus, um es seinem Herrn mitzuteilen. »Es ist alles aus!« schrie er Joseph zu, »Mylord der Herzog ist gefangen, der Herzog von Braunschweig getötet, die britische Armee in wilder Flucht, nur ein Mann ist davongekommen, und der sitzt jetzt in der Küche – kommen Sie und hören Sie ihn an.« Joseph schwankte also in die Küche, wo Regulus auf dem Tisch saß und seine Bierflasche festhielt. In seinem besten Französisch, das aber leider doch ziemlich ungrammatisch war, beschwor Joseph den Husaren, seine Geschichte zu erzählen. Je mehr Regulus berichtete, desto schlimmer wurde das Unglück. Er war der einzige Mann aus seinem Regiment, der nicht auf dem Schlachtfeld erschlagen worden war. Er hatte gesehen, wie der Herzog von Braunschweig fiel, die schwarzen Husaren flohen und die Schotten von den Kanonen niedergemäht wurden.
»Und das ...te Regiment?« keuchte Joseph.
»In Stücke gehauen«, antwortete der Husar – worauf Pauline rief: »Oh, meine Herrin, ma bonne petite dame! 5 « und das Haus mit ihrem hysterischen Geschrei erfüllte.
Mr. Sedley wußte in wildem Entsetzen nicht, wie oder wo er Sicherheit finden konnte. Er stürzte von der Küche ins Wohnzimmer und warf einen flehenden Blick auf Amelias Tür, die Mrs. O'Dowd ihm vor der Nase zugemacht und verschlossen hatte. Er verweilte einen Augenblick lauschend an der Tür, da ihm aber einfiel, wie verächtlich ihn die Majorin behandelt hatte, trat er zurück und beschloß, zum erstenmal an jenem Tag auf die Straße zu gehen. Er ergriff eine Kerze und sah sich nach seiner goldbebänderten Mütze um. Er fand sie auf ihrem gewöhnlichen Platz auf einer Spiegelkonsole im Vorzimmer liegen. Dort pflegte Joseph sonst sich zu drehen und zu wenden, seine Schläfenlocken zurechtzulegen und seine Mütze schief aufzusetzen, ehe er sich in der Öffentlichkeit zeigte. So stark ist die Macht der Gewohnheit, daß er sogar jetzt in seiner entsetzlichen Angst mechanisch an seinem Haar zupfte und seine Mütze schief aufsetzte; dann blickte er bestürzt auf das blasse Gesicht im Spiegel und besonders auf seinen Schnurrbart, der in den sieben Wochen, die er auf der Welt war, ein stattliches Wachstum entwickelt hatte. Sie werden mich ganz bestimmt für einen Militär halten, überlegte er und dachte an Isidors Warnung bezüglich des Gemetzels, das die besiegte britische Armee erwartete. Er schwankte in sein Schlafzimmer zurück und fing an, wie toll an der Klingel zu reißen, um seinen Diener zu rufen.
Isidor erschien. Joseph war in einen Stuhl gesunken, hatte sein Halstuch abgerissen, den Kragen heruntergeklappt und saß da, mit beiden Händen an der Kehle. »Coupez-moi, Isidor«, schrie er, »vite! Coupez-moi!« 6 Isidor glaubte einen Augenblick, er sei wahnsinnig geworden und fordere ihn auf, ihm den Hals abzuschneiden.
»Les moustaches«, ächzte Joseph, »les moustaches, couper, raser, vite!« 7 So war sein Französisch: fließend, wie wir gesagt haben, aber grammatisch nicht besonders korrekt.
Isidor fegte den Schnurrbart im Nu mit dem Rasiermesser hinweg und vernahm mit unaussprechlichem Entzücken den Befehl seines Herrn, einen Hut und einen Zivilrock zu bringen. »Ne porter plus – habit militaire – bonnet – donner à vous, prenez dehors« 8 , waren Josephs Worte; Rock und Mütze waren endlich sein Eigentum.
Nachdem Joseph dies Geschenk gemacht hatte, suchte er aus seinem Vorrat einen einfachen schwarzen Rock mit Weste, ein großes weißes Halstuch und einen einfachen Filzhut heraus. Wenn er einen breitkrempigen Hut hätte auftreiben können,
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