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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Junge. Wie konntest du auch so albern sein!
    Doch Hannahs Lippen bewegten sich flüsternd, und sie wiederholte: «Drei Leichen an drei Kreuzen — und ein Mann war mit Dornen gekrönt...» Dann fragte sie: «Wo ist er jetzt?»
    «Er ist mit mir gekommen — er wartet unten.»
    Ihre Stimme klang wieder weich: «Ich möchte ihn sehen. Wollen Sie mir erlauben, daß ich ihn sehe?»
    Sears nickte: «Ja, Miss Bascombe, ich hatte gehofft, daß Sie ihn . rufen lassen würden.» Er wandte sich zu dem Schreibtisch an der andern Seite des Raumes: «Miss Adams, würden Sie so freundlich sein, Ben-Isaak heraufführen zu lassen?»
    Selbst er war erschüttert über das Ausmaß von Haß, Verachtung und Wut auf ihrem Gesicht, als sie den Telefonhörer aufnahm, um zu tun, was er verlangt hatte.

11

    Mein Leben ist wie nichts vor dir.
    I PSALM 39, 6

    Allein in dem Vorzimmer, überlegte Ben-Isaak Levi, was am besten sei, zu bleiben und den Schwindel mitzumachen, immer vorausgesetzt, daß Sears Erfolg hatte und bei der Greisin vorsprechen durfte, oder fortzugehen und es darauf ankommen zu lassen, daß man ein Schiff fand, das ihn anheuerte, ohne Fragen zu stellen.
    Bei dem Gedanken, Sears zu verlassen, verspürte er keine Gewissensbisse. Für Ben-Isaak war das Leben nichts anderes als die Fortsetzung des Kampfes, in dem er sich befand, seit die Nazis nach Polen gekommen waren. Er war allein, und er war Jude. Doch er fühlte, daß die Tage der Passivität vorüber seien und daß nun die Zeit kam, da er sich mit jeder ihm zur Verfügung stehenden Waffe wehren mußte. Nachrichten von den Kämpfen gegen alle Widerstände in Palästina hatten ihn erregt, und die neue Wildheit und das Selbstvertrauen erfüllten ihn mit Stolz und Begeisterung. Hier aber hatte er den Eindruck, in einem fremden und feindseligen Land in der Falle zu sitzen, wo man ihn entweder anspie, wie in dem Missionshaus, oder ihn für dunkle Zwecke gebrauchte, wie es Sears tun wollte. Nun überlegte er, wie er sich Sears am besten zunutze machen könne.
    In seiner Denkweise fand sich weder Bosheit noch Selbstbemitleidung. Trotz seiner Jugend war Ben-Isaak ein Mann und durch seine Erlebnisse geschult, Menschen und Ereignisse nüchtern zu betrachten und sie realistisch als das zu nehmen, was sie waren. Er gab sich keinem Zweifel darüber hin, daß Sears, wenn er ihn nicht mehr für seine Pläne brauchte, ihn ohne viel Umstände abhalftern würde. Das erschien ihm keineswegs ungewöhnlich oder enttäuschend. In seiner Gelassenheit fand Ben-Isaak sogar manches Liebenswerte an Sears und seiner offen räuberischen Einstellung, aber ein Feind blieb er trotzdem. Freunde konnte man nur in jenem fernen Israel finden, wo sein Volk zu einer Nation geworden war, voll Würde lebte, sich bewaffnete, kämpfte und Schlachten gegen die räuberischen Nachbarn gewann; und da Gott seinen Kindern vielleicht ihre Sünden vergeben hatte, liebte er sie nun mehr als vor Jahrtausenden, da David König war und der Löwe von Juda furchtlos vom Libanon bis nach Ägypten streifte.
    Und doch wollte Sears, dieser schlaue Schwindler, der nur den eigenen Nutzen im Auge hatte, ihm, Ben-Isaak, einen Weg aus dieser Falle zeigen — einen Weg, der ihn vielleicht direkt nach Israel, dem Ziel seines Verlangens, führen konnte, so daß er nicht mehr illegal und staatenlos in einem fremden Land zu leben brauchte. Gleichzeitig aber hatte Sears, durchaus berechtigt, die Drohung ausgesprochen, was geschehen könne, wenn Ben-Isaak nach Polen abgeschoben würde. Es traf zu, was Sears erraten hatte. Die Russen hatten tatsächlich einen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt. Ben-Isaak fühlte genau, daß Sears imstande war, ihn an die Behörden zu verraten; doch deshalb dachte er nicht schlechter von ihm.
    Er spielte mit dem Gedanken, zu verschwinden und Sears, diesem gescheiten Burschen, ein leeres Zimmer zu hinterlassen, und gleichzeitig rechnete er sich wie ein starker Krieger die Gefahren aus, die ihm drohten, wenn er blieb.
    Seine Gedanken wandten sich der Frau dort oben zu, die der Schlüssel sein sollte zu dem Paradies, das er suchte. War sie wirklich, wie Sears sie sich vorgestellt hatte, eine monströse Spinne, die am Rande ihres weitgespannten Finanznetzes hockte und darauf wartete, sich auf ihre Opfer zu stürzen, um das Geld des Lebens aus ihnen zu saugen, eine Feindin Gottes und der Menschen, die zu berauben keine Sünde wäre? Oder war sie nur das Opfer ihres eigenen Reichtums und nicht imstande, dem Tag ins Auge

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