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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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für alle.
    »Noch nichts«, sagt er.
    »Wen suchen die denn da drin?« fragt die Frau den Alten.
    »Weiß ich«, sagt der Alte und hört nicht auf, sich das Herz zu reiben.
    »Wohnt da jemand Besonderes?« fragt ein Glatzkopf.
    Er bekommt vorerst keine Antwort, alle sind auf dem Heimweg von der Arbeit und fremd in dieser Straße, bis Rosa leise sagt: »Sie holen Jakob Heym.«
    Wer ist Jakob Heym, was für ein Jakob Heym, der Späher am Schlüsselloch richtet sich auf und fragt: »Jakob Heym? Ist das der mit dem Radio?«
    »Ja.«
    »Schöne Geschichte«, sagt er, Rosa findet, ohne großes Mitgefühl: »Es mußte ja mal rauskommen.«
    Da wird der Alte auf den Stufen wütend, was Rosa verwundert, er schien nur mit seiner Angst und seinem Herzen beschäftigt, jetzt schwellen ihm die Adern. »Warum mußte es rauskommen, du Grünschnabel? He, warum? Ich kann dir sagen, warum es rausgekommen ist. Weil es irgendein Lump verraten hat! Darum! Oder denkst du von alleine?«
    Der Grünschnabel läßt die Zurechtweisung verlegen und ohne Widerspruch über sich ergehen, er beugt sich wieder zum Schlüsselloch und sagt nach kurzer Pause: »Immer noch nichts.«
    Der Alte winkt Rosa mit einer Kopfbewegung zu sich und rückt, als sie vor ihm steht, ein Stück zur Seite. Also setzt sie sich neben ihn.
    »Kennst du ihn?« fragt er.
    »Wen?«
    »Diesen Jakob Heym?«
    »Nein.«
    »Woher weißt du dann, daß er da wohnt?«
    »Von Bekannten«, sagt Rosa.
    »Sie sind immer noch drin«, berichtet der Grünschnabel.
    Der Alte schweigt für Sekunden nachdenklich, dann sagt er zur Tür hin: »Wenn sie ihn bringen, sag mir Bescheid. Ich möchte wissen, wie er aussieht.«
    Rosa kommt das im Moment ein wenig geschmacklos vor, später nicht mehr.
    »Er hat viel riskiert«, sagt der Alte bewundernd, jetzt wieder zu Rosa, die nickt. Und sich fragt, was sie Mischa nur erzählen wird, über den Besuch in ihrer Wohnung soll er ausgiebig schimpfen, den kann sie nicht verschweigen, auch wenn sie es wollte, die Aktentasche und die Lebensmittelkarte würden ihn ohne eigenes Geständnis verraten. Aber Jakob möchte sie lieber nicht erwähnen, damit wagt sie sich Mischa nicht unter die Augen, jetzt schon gar nicht mehr.
    Und wie bitter es ist, die Begegnung mit Jakob kann sie ohne Gefahr verschweigen, Jakob wird gehindert sein, sie bei Mischa Lügen zu strafen.
    »Vielleicht ist er gar nicht zu Hause«, sagt der Alte.

    »Er ist zu Hause«, sagt Rosa gedankenlos. Der Alte sieht sie verwundert an, die Frage schon im Blick, aber er kommt nicht dazu, sie auszusprechen, denn der Grünschnabel ruft von der Tür: »Ihr habt euch geirrt. Sie bringen eine Frau heraus!«
    Gönnen wir uns eine freiere Sicht, begeben wir uns auf die Straße, die abgeführte Frau ist Elisa Kirschbaum. Sie muß für die Unfähigkeit ihres Bruders bezahlen, dafür, daß er es entgegen den Erwartungen nicht vermochte, den Sturmbannführer zu heilen, spät genug ist es ihnen eingefallen.
    Schon vor geraumer Zeit hatte man im Haus eine solche Entwicklung der Dinge befürchtet, man kann ja zwei und zwei zusammenzählen, irgend jemand hatte das bis dahin für uns unbekannte Wort Sippenhaft ins Gespräch geworfen. Jakob ist gleich am Abend des Tages, an dem die Bahnhofsflagge auf halbem Mast wehte, zu Elisa Kirschbaum gegangen. Er hat ihr zu bedenken gegeben, ob es nicht besser wäre, wenn sie sich bei Freunden, die sie doch sicher hätte, versteckt hielte, wenigstens für einige Zeit, bis man absehen könnte, ob die drohenden Repressalien auch tatsächlich eintreten würden. Denn wie schmerzlich es auch sei, für ihren Bruder mußte man das Schlimmste annehmen, und wenn das Wunder geschähe, wenn er trotz allem unversehrt zurückkehren sollte, erklärte er sich bereit, ihr sofort Nachricht zu geben. Aber sie wollte nichts von all dem wissen, sie hat Jakob gesagt: »Das ist sehr freundlich von Ihnen, verehrter Herr Heym. Aber lassen Sie das bitte meine Sorge sein.« Als hätte sie noch einen Trumpf in der Hand, von dem niemand etwas ahnte.
    Jetzt geht sie vor den beiden Deutschen her, eilig, damit keine Handhabe gegeben ist, sie zu stoßen oder zu berühren. Und auch eilig, wie Jakob hinter dem Fenster vermutet, um der Straße, die trotz der scheinbaren Öde voller verborgener Augen steckt, kein großes Schauspiel zu bieten. Der Aufwand an geballter Kraft, die die zwei hinter ihr ausstrahlen, wirkt übertrieben groß für eine so zierliche Arrestantin, Elisa Kirschbaum bleibt hinter dem Wagen

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