Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
überholte mich ein Kleintransporter, hielt an und stieß zurück. Der Fahrer kurbelte sein Fenster herunter und redete mich auf Spanisch an. Auf meine Frage hin, ob er Deutsch oder Englisch könne, meinte er, er spreche ein klein wenig Englisch und gab mir zu verstehen, ich möge doch reden. So zog ich meinen Reiseführer hervor und versuchte ihm verständlich zu machen, dass es die nächste Unterkunftsmöglichkeit in Sarrià gebe, da die Albergue in Calvor in Anbetracht der fortgeschrittenen Abendstunde sicherlich bereits geschlossen sei. Irgendwann begriff ich, dass nicht er eine Unterkunft suchte, sondern dass er mich darauf hinweisen wollte, dass man im ca. noch 6 km entfernten Bergdorf Furela zwar keine Albergue oder Refugio allerdings ein Dach über dem Kopfe vorfinden werde. Auf mein spontanes „Herzlichen Dank“ erstrahlten seine Augen und mit einem „Nada“ brauste er davon.
Auf dem anschließenden Höhenweg bot sich mir eine im abendlichen Dämmerlicht verklärte Berglandschaft. Den von großen Bäumen mit dichtem Blattwerk überwachsenen, felsigen und äußerst steilen Hohlweg hinab in den Sprengel Montan konnte ich nur mit Hilfe meiner erstmals benötigten Taschenlampe bewältigen. Die zahlreichen großen Wegsteinplatten wurden zum Teil von einem Rinnsal überspült, so dass sie glitschig und sturzgefährlich waren. Im Dorfe angelangt, wollte ich die kleine Dorfverbindungsstraße suchen, da einem das Begehen einer Straße bei Nacht leichter als dasjenige eines Feldweges bzw. Wanderpfades fällt. Urplötzlich bellten mich ein großer und ein kleiner Hund laut hinter einem hohen Maschendrahtzaun eines Bauernhofes an, an dem vorbei der Weg zur Straße führte. Mein Schreck wurde noch größer, als plötzlich der Schäferhund mich anvisierend und bellend aus der Einfriedung hervor sprang und mir kläffend und Zähne fletschend bis auf etwa 2 m auf dem Weg entgegen kam. Nun, so werde ich eben nicht die öffentliche Straße aufsuchen, sondern mich wieder zurück auf den Camino begeben, entschied ich in der Hoffnung, dass mit meiner Kehrtwendung sich der Schäferhund zufrieden gebe, was auch geschah. Während der Schäferhund seine Verfolgung und auch sein Gebelle einstellte, kläffte der kleine, angekettete Hund kräftig weiter.
Trotz klarem Himmel war der alleeartige Fußweg nur mit Taschenlampenlicht erkennbar. Hinter einer kleinen, natursteinernen Wegmauer unter einem großen Baume breitete ich meine Isomatte und darauf meinen Schlafsack im Grase aus und legte mich zum Schlafen nieder. Die Ruhe der Nacht wurde durch das vom Dorf her schallende Gebell eines Hundes, in das manches Mal auch andere mit einstimmten, gestört. Das Gebelle erweckte in mir wegen den wechselnden Lautstärken die Befürchtung, es könnte sich um frei herumstreunende Hunde handeln, die sich mir nähern würden und mich womöglich anfallen könnten. Das Wissen alleine beruhigte mich, dass normalerweise nur herrenlose Hunde den Dorfbereich verlassen würden und dass es sich um solche nicht handeln könnte. Etwa um Mitternacht kehrte Ruhe ein und ich konnte bei der angenehmen, lauen Bergluft sofort ein- und durchschlafen.
Freitag, den 18.06.:
Als ich aufwachte, kreuzte gerade ein unerschrockener Igel den unweit meiner gewählten Schlafstatt liegenden Jakobsweg, den sogenannten Camino. Auch die ersten Pilgerwellen zogen vorüber. Wir hatten bereits 7.00 Uhr. In der Dorfbar in Aguiada frühstückte ich und holte mir dort meinen für gestern fehlenden Carnes. Langsam musste ich anfangen, darauf zu achten, für jeden einzelnen Tag einen entprechenden Tagesstempel zu bekommen, wollte ich die Pilgerurkunde Compostela als Nachweis meiner erfolgreichen Fußpilgerschaft erhalten.
Mein Kassensturz ergab ein Barvermögen von € 7,95 und einer mit einer zwei €-Münze zu verwechseln ähnlich aussehenden 500 Lire-Münze, die mir irgendjemand sicherlich als Rausgeld angedreht hatte.
Alice, die Schwedin, die ich in letzter Zeit schon öfters kurz getroffen hatte, schaute zufällig in die Bar herein, um auch einen Kaffee zu trinken. Sie drückte mir während unseres Gesprächs ein Blatt Papier mit in Deutsch abgefassten Gedanken über und zum Jakobsweg in die Hand, das sie neben der englischen und schwedischen Fassung gestern vom Ortspfarrer Triacastelas erhalten hätte. Hierin las ich u.a., dass die Leute, die sich über das Wesen des Camino den Kopf zerbrechen, kein richtiges Urteil über den Weg nach Santiago fällen könnten und
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