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Jakobsweg

Jakobsweg

Titel: Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Kallen
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gesehen, und ich war total allein da oben. Auf den Bildern, die man sonst von dieser Stelle zu sehen bekommt, sind immer Dutzende Menschen -aber heute: niemand - eigentlich auch schön!
    Ich bin immer weiter gelaufen, stur Schritt um Schritt, ich hab ja nichts sehen können; Käppi auf, die Kapuze vom Regencape darüber, den Kopf nach unten, um mich wenigstens ein bisschen vor dem eisigen Wind zu schützen. Wenn ich mal ein Auto gehört habe bin ich gleich in den Graben gesprungen. Einmal kam eines aus meiner Richtung und hat sofort angehalten, weil die Frau gesehen hat, dass ich Mühe mit dem Laufen hatte. Leider hab' ich dumme Nuss ihr Angebot, mich mitzunehmen, abgelehnt und bin statt 2,5 noch mal 5 Kilometer gelaufen. Bis El Acebo eben, hier fährt tatsächlich grad der Streuwagen durchs Dorf, Richtung Foncebadon. Glaubt man das?
    In El Acebo stehen nur ein paar wenige Häuser, hier leben weniger als 40 Menschen! Die Häuser sind alle krumm und schief und ganz, ganz klein. Aus dem grauen Schiefer des Bierzo gebaut und auch damit gedeckt und die kleinen Holz - Balkone zeigen allesamt auf die winzige Straße. Die Herberge ist geschlossen, was sonst. Der Gastwirt ist gleichzeitig auch der Herbergsvater und bietet als Alternative zur Herberge noch einen großen Schlafsaal hier im Gasthaus sowie zwei Schlafkammern mit einem gemeinsamen Bad an. Wenn ich die Tür aufmache, liege ich sofort im Bett. Eisblumen an den Fenstern, klamme Kälte, feuchte Wäsche... Egal. Die Gaststube ist warm und gemütlich, es duftet nach gutem Essen und Kamin. Das hat allerdings überhaupt nichts malerisches, der eiserne Kamin dient einzig zum Wärmen, nicht dazu, Gäste zu beglücken, die sich mit dem Rotwein in der Hand auf dem Bärenfell räkeln wollen. So ist das hier nicht! Alles nur zweckmässig und sinnvoll, kein Tinnef. In allen Führern werden das Gasthaus und die Herberge als ok, die Betreiberfamilie aber als extrem unfreundlich beschrieben. Finde ich überhaupt nicht! Sie sind schweigsam, aber nicht unfreundlich, der Vater kocht - und zwar hervorragend, er ist ein wahrer Fleischkünstler und bietet hier in seinem einsamen Berg-Gasthaus die besten Steaks an. Natürlich geht es auch einfacher, aber selbst das ist bestens! Seine Mädels bedienen und putzen, die Mutter pusselt hier und da herum, der Bruder kümmert sich um den Nachschub. Bin grad noch rechtzeitig angekommen, mittlerweile sind alle Betten belegt.
    Planen kann ich gar nichts, weil ich nicht weiß, wie sich das Wetter über Nacht entwickelt - aber glücklicherweise stehe ich ja nicht unter Zeitdruck. Notfalls bleibe ich eben hier und sitze alles aus. Wie muss das sein, hier geboren zu werden, am Ende der Welt, so fühlt es sich an?! Mir ist es ja wurscht, ich bin morgen, spätesten übermorgen wieder weg. Aber die jungen Mädels hier???
    In mein Zimmer komme ich durch die Kneipe, über den Hinterhof, durch zwei versteckte Türen, über eine schiefe Treppe bis auf die zweite Etage. Trotz der wirklich auf Hochtouren arbeitenden Kamin-Heizung wird es gar nicht wärmer; das Haus ist uralt und nicht isoliert, die Wärme geht so weg. Die Wände sind eisig! Ich lieg im Bett mit meinem Schlafsack, dem üblichen Laken, drei Wolldecken und bin komplett angezogen, sogar die Mütze habe ich auf. Warm und mollig ist anders. Aber nicht klagen - niemand hat mich gezwungen, Ende Oktober, jetzt ist es fast Dezember, loszulaufen. Eben haben sie im Wetterbericht gesagt, dass die Kälte, der Wind und der Schneefall bis minimo Freitag anhalten sollen. Das ist nicht gut. Windgeschwindigkeiten bis 100 km, heute schon gemessen und für morgen wieder erwartet.
    Das Ding hier ist ausgestattet mit Internet, mit Supertelefonen, mit allen möglichen technischen Raffinessen, die diese Welt so bietet - aber das Wirtepaar, das glückliche, sowie die beiden glücklichen Töchter und der glückliche Bruder des Wirtes sind alle schwer dem Alkohol verfallen.
    Zu dieser Idylle gehören zwei Hunde, die die Kneipe zwar allein verlassen können, aber nicht wieder allein hineinkommen und also, oh Wunder, ist immer mindestens eine Person mit Tür-Öffnen und Hunde-Anschreien beschäftigt. Eine der beiden Töchter telefoniert seit heute Nachmittag pausenlos mit der Beziehung und Vater und Mutter sitzen stumm vor Glück miteinander am Tresen und prosten sich zu.
    Nun könnte man fragen, warum ich mir das alles anschaue, die Antwort ist einfach: weil es der einzig warme Platz im Haus ist, ich hocke sozusagen IM

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