Jamaica Lane - Heimliche Liebe
andauernde Sorge mir das Gefühl, dass etwas mit mir nicht stimmte.
Dees Auftauchen hatte zugleich Verwirrung und Erleichterung gebracht. Wahrscheinlich wäre es an der Zeit gewesen, sie ein wenig besser kennenzulernen, denn im Moment wusste ich noch so gut wie nichts über sie, außer dass sie ganz anders war als Mom. Meine Mutter war eine Schönheit gewesen, mit dunklen Haaren und hohen Wangenknochen, die ihre indianischen Wurzeln verrieten. Ebendiese Wangenknochen und die dunklen Haare waren die einzigen körperlichen Attribute, die sie an mich weitervererbt hatte. Aus mir unbekannten Gründen hatte ein unbarmherziger Gott es nicht für nötig befunden, mir auch die Schönheit meiner Mutter zu verleihen. Diese Schönheit war das Erste gewesen, womit sie meinen Vater beeindruckt hatte; dann mit ihrem trockenen, leicht verschrobenen Sinn für Humor – immerhin: den hatte ich geerbt –, und schließlich mit ihrer inneren Gelassenheit. Mom konnte Ruhe in jeden Raum bringen, allein, indem sie ihn betrat. Sie war ein Mensch, der vollkommen in sich ruhte, und das wirkte sich auf ihre gesamte Umgebung aus. Es war eine ganz besondere Gabe.
Trotz ihrer Fehler – und der falschen Entscheidung, die sie als junge Studentin getroffen hatte – war Mom immer gütig, mitfühlend und geduldig gewesen, weshalb sie eine großartige Krankenschwester abgegeben hatte. Sie hatte ihre Krankheit mit großer Würde getragen. Ich bekam jedes Mal einen Kloß im Hals, wenn ich daran dachte. Sie war ein eher zurückhaltender Mensch gewesen, nicht übermäßig selbstbewusst, aber auch nicht unsicher oder schüchtern. Einfach nur still. Gelassen. Eine solche Gelassenheit kann man nicht lernen. Ich musste es wissen, denn ich war mir ziemlich sicher, dass sie versucht hatte, mir ein wenig davon beizubringen, und ihre Bemühungen hatten ganz eindeutig nicht gefruchtet. Aber was sollte es? Ich hatte ohnehin nicht die Absicht, meinen inneren Geek zu verleugnen. Nein, danke. Ich und mein innerer Geek hielten fest zusammen. Wir waren unzertrennlich, seit meine Mutter mir mit acht Jahren erklärt hatte, dass man sein könne, wer und was man wolle.
»Mom, Arnie Welsh hat wieder Streberin zu mir gesagt. Wenn er das sagt, klingt es immer so, als wäre das was Schlimmes. Ist Streberin sein was Schlimmes?«
»Natürlich nicht, Soda Pop. Und gib nichts auf Etiketten. Die sind vollkommen unwichtig.«
»Was sind Etiketten?«
»So eine Art unsichtbare Aufkleber, die andere Leute auf dich draufkleben und auf denen steht, was sie in dir sehen. Aber es spielt keine Rolle, für wen oder was andere dich halten. Es spielt nur eine Rolle, für wen oder was du dich hältst.«
»Ich glaub, ich bin eine Streberin.«
Sie lachte. »Dann sei eine. Sei, was immer dich glücklich macht, Soda Pop. Dann bin ich auch glücklich.«
Gott, sie fehlte mir so sehr.
»Dee wollte eigentlich Verwandte unten im Süden besuchen, aber sie hat den Besuch abgesagt, damit sie zur Hochzeit kommen kann«, antwortete mein Dad auf Elodies Frage und holte mich damit in die Wirklichkeit zurück.
»Oh, das ist aber schön.« Elodie lächelte. »Ich muss sie unbedingt mal wieder auf ein Glas Wein einladen. Könnte sein, dass ich ein neues Projekt für sie habe. Eine Frau von der Arbeit möchte gerne eine Wandmalerei in ihrem Wintergarten haben. Sie will ihn zu einem Spielzimmer für ihre Enkelkinder umbauen lassen.«
»Ich werde es ihr ausrichten.«
»Bringst du jemanden mit, Liv?«, fragte Clark mich beiläufig. Er wollte wirklich nur Konversation machen, aus irgendeinem Grund jedoch wurmte mich die Frage. Ich hatte ein paar Komplexe wegen meines andauernden Singledaseins, aber dafür konnte Clark nichts. Also pappte ich mir ein strahlendes Lächeln ins Gesicht und schüttelte den Kopf. »Nate und ich haben beschlossen, dem ganzen Stress mit Dates aus dem Weg zu gehen, indem wir gemeinsam kommen.«
Jo grinste ihren Hühnchenteller an.
»Lass es«, warnte ich sie halblaut.
Sie sah mit unschuldigen Rehaugen zu mir auf. »Ich habe kein Wort gesagt.«
»Dein Grinsen sagt genug.«
»Ich freue mich einfach nur darüber, wie gut du dich inzwischen mit Nate verstehst.«
Ich seufzte schwer und wandte mich dann, um Unterstützung heischend, an Cam. Hoffentlich war der nicht auch in der Stimmung, mich zu provozieren. »Cam, bitte erklär es ihr.«
Cam schenkte seiner Verlobten ein bedauerndes Lächeln. »Baby, sie sind bloß Freunde. Lass es gut sein. Es wird nicht passieren. Nicht in
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