James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
werde ich in das Bett unseres Freundes Goldfarb in Abteil Nummer zwölf umziehen. Für den Moment stellt die erste Klasse eine annehmbare Unterkunft dar.«
Bond döste wachsam vor sich hin, während der Zug durch das mondbeschienene Tal des Flusses Vardar auf Jugoslawien zufuhr. Tatjana schlief wieder mit ihrem Kopf in seinem Schoß. Er dachte über das nach, was Darko gesagt hatte. Er fragte sich, ob er den großen Mann womöglich nach Istanbul zurückschicken konnte, sobald sie es sicher durch Belgrad geschafft hatten. Es war nicht fair, ihn auf einem Abenteuer, das sich außerhalb seines Territoriums abspielte und von dem er nicht viel hielt, quer durch Europa zu zerren. Darko vermutete offensichtlich, dass Bond ganz vernarrt in das Mädchen war und sich deswegen nicht mehr hundertprozentig auf seinen Auftrag konzentrierte. Nun, darin lag zumindest ein Körnchen Wahrheit. Es wäre zweifellos sicherer, den Zug zu verlassen und eine andere Route in Richtung Heimat zu nehmen. Doch Bond gestand sich ein, dass er die Vorstellung, vor dieser Verschwörung wegzulaufen, nicht ertragen konnte – sofern es sich überhaupt um eine Verschwörung handelte. Und falls nicht, konnte er die Vorstellung, die drei zusätzlichen Tage mit Tatjana zu opfern, ebenso wenig ertragen. Und M hatte ihm die Entscheidung überlassen. Wie Darko gesagt hatte, war M genauso neugierig auf den Ausgang des Spiels wie er. Auch M wollte herausfinden, worum es bei dieser ganzen Geschichte eigentlich ging. Bond verwarf das Problem. Die Reise verlief gut. Warum sollte er also in Panik geraten?
Zehn Minuten nach ihrer Ankunft am griechischen Grenzbahnhof in Idomeni ertönte ein hektisches Klopfen an der Tür. Das Mädchen erwachte davon. Bond rutschte unter ihrem Kopf weg, stand auf und legte ein Ohr an die Tür. »Ja?«
»
Le conducteur, Monsieur
. Es hat einen Unfall gegeben. Ihr Freund Kerim Bey.«
»Warten Sie«, sagte Bond nachdrücklich. Er steckte die Beretta ins Holster und zog sein Jackett an. Dann riss er die Tür auf.
»Was ist passiert?«
Das Gesicht des Schaffners sah im Licht des Gangs gelblich aus. »Kommen Sie.« Er lief durch den Gang auf die Abteile der ersten Klasse zu.
Beamte standen gedrängt um die offene Tür des zweiten Abteils herum und starrten hinein. Der Schaffner bahnte zwischen ihnen einen Weg für Bond. Bond erreichte die Tür und sah hinein. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Auf dem rechten Sitz lagen zwei Körper. Sie waren in einem schrecklichen Todeskampf erstarrt, der eine gestellte Szene aus einem Film hätte sein können.
Der untere Mann war Kerim, dessen Knie in einer letzten Bemühung, aufzustehen, erhoben waren. Der mit Klebeband umwickelte Griff eines Dolches ragte in der Nähe der Schlagader aus seinem Hals heraus. Sein Kopf war zurückgelehnt, und die leeren, blutunterlaufenen Augen starrten in die Nacht hinaus. Der Mund war zu einer wütenden Grimasse verzogen. Am Kinn lief ein dünnes Rinnsal aus Blut hinab.
Halb auf ihm lag der schwere Körper des MGB-Manns namens Benz. Kerims linker Arm war um seinen Hals geschlungen und hielt ihn an Ort und Stelle. Bond konnte eine Ecke des Stalinschnurrbarts und die Seite eines dunklen Gesichts sehen. Kerims rechter Arm lag fast beiläufig auf dem Rücken des Mannes. Die Hand war zur Faust geballt und hielt den Griff eines Messers umklammert, und auf dem Jackett darunter befand sich ein breiter Blutfleck.
Bond ließ seiner Vorstellungskraft freien Lauf. Es war, als würde man sich einen Film ansehen. Der schlafende Darko, der Mann, der sich leise durch die Tür hereinschlich, zwei Schritte nach vorn und der Stoß schnell in die Halsschlagader. Dann die letzte heftige Zuckung des sterbenden Mannes, der den Arm hochriss, seinen Mörder packte und ihm das Messer zwischen die Rippen rammte.
Dieser wundervolle Mann, der die Sonne im Herzen getragen hatte. Nun war er verloschen, ganz und gar tot.
Bond drehte sich ruckartig um und verließ den Mann, der für ihn gestorben war. Er fing an, vorsichtig und unverbindlich Fragen zu beantworten.
AUSSER GEFAHR?
Um drei Uhr nachmittags fuhr der Orientexpress mit einer halben Stunde Verspätung langsam nach Belgrad ein. Sie würden acht Stunden warten müssen, bis der andere Teil des Zugs durch den Eisernen Vorgang aus Bulgarien eintraf.
Bond sah auf die Menschenmenge hinaus und wartete auf das Klopfen an der Tür, das Kerims Mann ankündigen würde. Tatjana saß in ihrem Zobelpelzmantel zusammengekauert
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