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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Körpers ihre Ehre erwiesen. Trotz des Smogwetters war alles von blendendem Weiß. Der Garten war streng symmetrisch angelegt, runde Beete mit weißen Rosen, kunstvoll geschnittene Ligusterhecken, lange Reihen säulenartiger Zypressen wie in Italien. Es war einer jener Parks, die ständig Pflege brauchen, in letzter Zeit aber war nichts mehr daran getan worden: überall wilde Triebe, Zweige, die über die Wege hingen, verwelkte Blütenblätter und vertrocknete Grasstücke, die angesichts des samtenen Rasens besonders traurig wirkten.
    Am Fuß der Marmorstufen standen ein schwarzweißer Plymouth und ein perlgrauer Mazda RX 7. Ich parkte neben dem Mazda, stieg aus und ging auf ein weiß lackiertes Portal zu. Ein Mann und eine Frau standen dort, an eine Nachbildung von Michelangelos David gelehnt, rauchten und waren offensichtlich guter Laune. Die Frau trug die hübsch geschnittene weibliche Uniform des Beverly Hills Police Department, der Mann ein Jackett mit feinem Karomuster über einer schwarzen Hose.
    Ich schnappte ein paar Worte ihres Gesprächs auf (»Ja, das haben Bogenschützen so an sich«), aber dann hörten sie mich kommen. Der Mann trug eine dunkle Brille. Es war Richard Cash, der Kriminalbeamte, der mich mit Whitehead zu Hause aufgesucht hatte.
    »Da sind Sie ja, Doktor, dann können wir gleich loslegen.«
    »Wenn Sie jetzt Zeit haben.«
    »Aber sicher«, sagte er und trat seine Zigarette auf dem Marmorboden aus. Er wandte sich an die Beamtin, eine junge Blonde, lächelte und strich sich das Haar zurück.
    »Dixie, wir gehen und bringen es hinter uns. Bis nachher.«
    »Das klingt ja wirklich aufregend, Dick.« Sie lächelte, steckte eine lose Haarsträhne unter ihrer Uniformmütze fest, grüßte und ging. Cash beobachtete sie dabei und pfiff leise.
    »Die gefällt mir.« Er zwinkerte mir zu und öffnete die Tür.
    Wir betraten eine Schneelandschaft. Alles hier drinnen - Wände, Decken, Böden, selbst die Holztäfelung und die Deckenbalken - war weiß gestrichen. Nicht etwa in gebrochenem Weiß, nein, es war reines, gnadenlos grelles Kalkweiß.
    »Sieht jungfräulich aus hier, was?«, sagte Cash.
    Dann führte er mich an einer Wendeltreppe vorbei, unter einem Marmorbogen hindurch in ein helles, großes Foyer, zu dessen beiden Seiten ein höhlenähnliches Wohnzimmer und ein ebensolches Esszimmer lagen. Auch hier war alles wie in Milch getaucht: weiße Möbel, weiße Teppiche, ein weißer Kamin, weiße Porzellanvasen, in denen die Federn von Albino-Straußen steckten. Einzige Ausnahme in diesem gletscherartigen Haus waren hier und da ein Spiegel oder ein Kristallgegenstand, aber sie spiegelten das Weiß und erhöhten dadurch nur seine Wirkung.
    »Dieses Haus hat fünfunddreißig Räume«, erklärte Cash. »Sie wollen sicher nicht alle sehen.«
    »Nur den, in dem es passierte.«
    »Also, dann los.«
    Das Foyer endete an einer Glaswand. Cash wandte sich nach rechts, und ich folgte ihm in ein weites Atrium, das in eine Loggia mündete. Dahinter sah man eine begrünte Terrasse und noch mehr kunstvolle Gartenanlagen. Unterhalb der Terrasse befand sich ein Swimmingpool in olympischen Ausmaßen, der innen türkisfarben war. Der Beckenrand war aus weißem Marmor, und an beiden Enden standen nackte Cherubimstatuen. Beide hielten eine Urne in die Höhe, die üppig mit weißen Petunien bepflanzt war.
    Auf dem Grund des Schwimmbads war ein weißes Seepferd aufgemalt. Das Becken reichte bis an den Rand des Grundstücks, und man hatte den Eindruck, dass das Wasser bis in den Himmel reichte. Der Blick auf die Stadt war getrübt durch den Dunst des Smogwetters.
    »So, da wären wir«, sagte Cash mit träger Stimme. Im Atrium standen keine Pflanzen. Der Raum hatte eine hohe Decke, der Fußboden bestand aus weiß gestrichenem Holz, die Möbel aus weißem Rattan. Einige Stühle waren umgekippt, ein abgebrochenes Stuhlbein lag auf einem der Sofas. Die Decke war mit mehreren Balken verziert. Einer davon war durch einen grauen Strich in der Mitte markiert.
    »War dort das Seil befestigt?«
    »Ja.«
    Überall an den Wänden waren rostfarbene Flecken, der Fußboden war voller Muster, die mich an Rorschachtests und Pinnbrettnadeln erinnerten. Unendlich viel getrocknetes Blut überall. Es sah aus, als hätte die Putzfrau einen Eimer voll großzügig verteilt.
    Cash beobachtete neugierig meine Reaktion und sagte dann:
    »Endlich mal ein bisschen Farbe, nicht?«
    Am Boden erkannte ich die Umrisse eines Körpers, er war mit Bleistift

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