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Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Titel: Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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wiederholten Male begann er nun in den vergilbten Fallakten aus den 70er Jahren herumzustöbern. Lächelnd dachte er dabei an die von seinem Vater aufgeworfene These.
    Welch ein originelles Tatmotiv: Rache für die Ermordung von Familienangehörigen – nur eben läppische drei Jahrzehnte zeitversetzt!, sagte er zu sich selbst. So ein Quatsch! Außerdem müssten es damals ja wirklich zwei Täter gewesen sein. Trotzdem ist es irre, was dieser alte Knochen noch für kreative Ideen hat. Respekt! Oder seine andere Theorie mit diesem ›Kroatensturm‹. Brutale Morde, jeweils begangen am 11. und 17. Juli – und dann läppische 350 Jahre später genau an diesen beiden Tagen zwei Morde an exakt derselben Stelle.
    Ein heftiger Ruck ging durch seinen Körper. Er beugte sich nach vorne und ließ die Finger über die Telefontastatur fliegen. Es dauerte eine Weile, bis sich der Gerichtsmediziner meldete.
    »Sag mal, Rainer«, überfiel ihn Tannenberg sogleich, »hast du mir nicht irgendwann mal erzählt, dass die Köpfe der beiden Opfer jeweils 35 Zentimeter von den Halsstümpfen entfernt lagen.«
    »Ja, so ist es«, knurrte es aus dem kleinen Telefonlautsprecher.
    »Gehen wir einmal davon aus, es handelt sich dabei nicht um einen Zufall, sondern der Täter hat dieses Szenario absichtlich arrangiert.«
    »Junge, ich hab jetzt keine Zeit. Ich stecke gerade im wahrsten Wortsinne mitten in einer Sektion«, gab Dr. Schönthaler genervt zurück. »Auf was willst du denn eigentlich hinaus? Komm, sag’s, aber fass dich bitte kurz.«
    »Hast du gewusst, dass zwischen diesem ›Kroatensturm‹-Massaker und den beiden Morden an der Jammerhalde 350 Jahre liegen?«
    »Ja, klar. Ich kann ja schließlich rechnen. Aber es sind nicht 350, sondern mehr als 370 Jahre seit dem ›Kroatensturm‹ vergangen.«
    »Na und? Ob nun 35 oder 37 Zentimeter, das ist doch wohl völlig Schnuppe! Vielleicht habt ihr ja auch falsch gemessen.«
    Ein paar Sekunden lang war es still. Dann prustete der Pathologe los. »Ach, jetzt ist endlich der Groschen bei mir gefallen: ein Zentimeter entspricht zehn Jahren – was für eine genial-makabre Arithmetik. Meinen tiefempfundenen …«
    Wütend knallte Tannenberg den Hörer auf den Apparat und vertiefte sich erneut in das Aktenstudium. Er las zum wiederholten Male das Vernehmungsprotokoll, das sein Vorgänger damals mit einem jungen Revierförster namens Manfred Kreilinger geführt hatte. Auch wenn er diesen Herrn absolut nicht ausstehen konnte, musste er sich doch eingestehen, dass diese Befragung keinerlei Hinweise auf irgendeine Tatbeteiligung Kreilingers enthielt. Zudem schien sein routinemäßig überprüftes Alibi hieb- und stichfest gewesen zu sein. Danach hatte er zur mutmaßlichen Tatzeit als Treiber an einer Wildschweinjagd teilgenommen.
     
    Michael Schauß hatte zwischenzeitlich Kontakt zu seinen ungarischen Kollegen aufgenommen. Da glücklicherweise einer dieser Beamten der englischen Sprache mächtig war, konnten die Informationen ohne Hinzuziehung eines Übersetzer ausgetauscht werden.
    »Wolf, schau dir das mal an«, rief der junge Kriminalbeamte bereits von der Türschwelle aus. »Ist das nicht hochinteressant?«
    »Was denn?«
    »Das Fax hier.« Schauß schleuderte das Blatt auf Tannenbergs Schreibtisch und hämmerte mit den Fingern auf den Text.
    »Jetzt tu doch mal deine Hand weg, verdammt nochmal«, grummelte der Leiter des K 1.
    Er schob die kräftige Hand seines Mitarbeiters beiseite und las den Text. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und stieß einen Schwall Atemluft durch die geschlossenen Zahnreihen.
    »Das gibt’s ja gar nicht«, sagte er, während er nun selbst mit dem Zeigefinger auf die entsprechende Textpassage tippte. »Nach dem, was da in seiner Biographie steht, hat dieser ungarische Professor hier an unserer Uni studiert.«
    »So sieht es aus«, bestätigte Schauß.
    »Und wann?«, warf sein Vorgesetzter eine rhetorische Frage in den Raum, die er umgehend selbst beantwortete: »Man kann es wirklich kaum glauben, aber da steht’s schwarz auf weiß: Mitte der 70er Jahre.« Er klappte die erste Fallakte auf und vergewisserte sich anhand des Deckblatts der relevanten kriminalpolizeilichen Daten. Mit anschwellender Stimme verkündete er: »Und zwar genau in den Jahren, in denen hier in der Gegend die Liebespaare ermordet wurden.«
    »Du glaubst also, dass es da einen direkten Zusammenhang geben könnte?«
    Tannenberg wiegte unschlüssig den Kopf hin und her. »Ich weiß

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